Allgemeines

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, stellt eine Veränderung der Beteiligungen grundsätzlich keinen grunderwerbsteuerbaren Rechtsträgerwechsel dar. Abweichend von diesem Grundsatz sieht § 1 Abs. 3 GrEStG in folgenden Fällen eine fingierte Grundstücksübertragung als gegeben an:

Fingierte Grundstücksübertragung

  • bei schuldrechtlicher Verpflichtung zur Übertragung eines Anteils oder mehrerer Anteile einer Gesellschaft, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft in einer Hand vereinigt werden,
  • bei Vereinigung, unmittelbar oder mittelbar, von mindestens 90 % der Anteile ohne vorangegangenes Verpflichtungsgeschäft,
  • bei schuldrechtlicher Verpflichtung zur unmittelbaren oder mittelbaren Weiterübertragung von mindestens 90 % der Anteile der Gesellschaft,
  • bei unmittelbarem oder mittelbarem Übergang von mindestens 90 % der Gesellschaftsanteile ohne vorangegangenes Verpflichtungsgeschäft.

§ 1 Abs. 3 GrEStG ist sowohl auf Kapitalgesellschaften als auch auf Personengesellschaften anwendbar. Ausländische Gesellschaften, deren rechtliche Struktur den inländischen Personen- oder Kapitalgesellschaften entspricht und zu deren Vermögen inländische Grundstücke i. S. d. § 2 GrEStG gehören, werden ebenfalls von der Vorschrift erfasst.[2]

 
Wichtig

§ 1 Abs. 2a und Abs. 2b GrEStG haben bei grundbesitzenden Personen-/Kapitalgesellschaften Vorrang

Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 3 GrEStG ("soweit eine Besteuerung nach den Absätzen 2a und 2b nicht in Betracht kommt") ist bei grundbesitzenden Personen-/Kapitalgesellschaften zunächst eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a bzw. 2b GrEStG zu prüfen. Erst wenn diese nicht in Betracht kommt, weil eine der Voraussetzungen nicht erfüllt ist, ist § 1 Abs. 3 GrEStG zu prüfen (Subsidiarität des § 1 Abs. 3 GrEStG).

 
Achtung

Keine Prüfung des § 1 Abs. 3 GrEStG, wenn § 1 Abs. 2a oder Abs. 2b GrEStG zwar erfüllt sind, es aber aufgrund von Befreiungsnormen nicht zur Steuerfestsetzung kommt

Die Subsidiarität des § 1 Abs. 3 GrEStG geht nicht so weit, dass eine Besteuerung danach in Betracht kommt, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG zwar erfüllt sind, aber aufgrund der Anwendung von Steuerbefreiungsnormen oder aufgrund des § 1 Abs. 2a Satz 6 bzw. Abs. 2b Satz 6GrEStG keine Steuerfestsetzung erfolgt. Erfüllt eine wesentliche Änderung im Gesellschafterbestand einer grundbesitzenden Personen-/Kapitalgesellschaft die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a bzw. Abs. 2b GrEStG, kann im Fall der Steuerfreiheit des Vorgangs nicht auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 GrEStG besteuert werden.

Verstärkung einer bestehenden Anteilsvereinigung

Auch mittelbare Anteilsübertragungen und Anteilsvereinigungen sind steuerrelevant. Die Verstärkung einer schon bestehenden Anteilsvereinigung löst den Besteuerungstatbestand aber nicht erneut aus.

Herrschende und abhängige Unternehmen

Die Anteilsvereinigung kann in der Hand eines Erwerbers oder auch in der Hand von herrschenden und abhängigen Unternehmen oder abhängigen Personen stattfinden.[3]

Treuhand

Anteilsvereinigungen können sich auch über Treuhandverhältnisse vollziehen.[4]

Mittelbare Änderung des Gesellschafterbestands einer grundbesitzenden Gesellschaft

Der BFH hatte bereits in einem früheren Urteil[5] entschieden, dass mittelbare Beteiligungen an grundbesitzenden Gesellschaften – unabhängig davon, ob sie über zwischengeschaltete Personen- oder Kapitalgesellschaften gehalten werden – gleich zu behandeln sind. Für die Prüfung einer Anteilsvereinigung oder -übertragung kommt es nach Auffassung des BFH allein auf die Beteiligung am Gesellschaftskapital an. Mittelbare Beteiligungen sind damit in jedem Fall nur maßgeblich, wenn sie auf jeder Ebene zu mindestens 95 % gehalten werden. Wird die Beteiligung an einer grundbesitzenden Gesellschaft mittelbar über eine Personengesellschaft gehalten, ist diese gesamthänderische Mitberechtigung unerheblich. Es kommt auf die vermögensmäßige Beteiligung, die mindestens 95 % betragen muss, an.[6] Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung zwischenzeitlich angeschlossen.

 
Wichtig

Unmittelbare Beteiligung an grundbesitzender Gesellschaft wird je nach Rechtsform unterschiedlich behandelt

Bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden Personengesellschaften kommt es auf das Mitgliedschaftsrecht in der Personengesellschaft und die damit verbundene sachenrechtliche Beteiligung am Gesamthandsvermögen an. Hier ist also allein das Zivilrecht[7] maßgeblich.

Bei unmittelbaren Beteiligungen an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften ist die Beteiligung am Gesellschaftskapital maßgebend.

Insoweit steht die Verwaltungsauffassung schon bisher mit der Rechtsprechung des BFH im Einklang.

 
Praxis-Beispiel

Mittelbare Anteilsvereinigung[8]

Beispiel zur bis zum 30.6.2021 geltenden Rechtslage

Am Kapital der grundbesitzenden A-GmbH sind eine OHG und A zu jeweils 50 % beteiligt. Am Vermögen der OHG sind A zu 5 % und B zu 95 % beteiligt. A überträgt seine Bete...

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