Notmaßnahmen durch einzelne Erben

Notwendige Erhaltungsmaßnahmen kann jeder Miterbe ohne Mitwirkung der anderen treffen (§ 2038 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB).[1] Hat er allein vom Erbfall Kenntnis, ist er sogar verpflichtet, die notwendigen Sicherungsmaßnahmen zu ergreifen und hierfür ggf. auch sein eigenes Vermögen einzusetzen.[2] Notwendig sind lediglich solche Maßregeln, die auch der ordnungsgemäßen Verwaltung des gesamten Nachlasses dienen, und zwar nach dem Standpunkt eines wirtschaftlich und vernünftig denkenden Beurteilers.[3] Eine solche Notgeschäftsführung erfordert grundsätzlich den Nachweis der Eilbedürftigkeit:[4] Die Maßnahme muss so dringlich sein, dass es dem Handelnden nicht mehr möglich ist, die Einwilligung aller Miterben oder ihrer Mehrheit einzuholen. Haben Miterben Einzelmaßnahmen bereits abgelehnt, kann der allein handelnde Miterbe diesen Beschluss nicht dadurch umgehen, dass er sein Handeln als Notverwaltung deklariert.[5]

Die Merkmale der Notwendigkeit und Dringlichkeit sind umso enger auszulegen, je mehr der Nachlass durch die eingegangenen Verpflichtungen belastet wird.

 
Praxis-Beispiel

Notwendige Erhaltungsmaßnahmen

Notwendige Erhaltungsmaßnahmen können sein:

  • Vorgehen gegen eine Enteignung[6],
  • Anfechtung von Verwaltungsakten, wenn der Rechtsbehelf der Abwehr des staatlichen Zugriffs auf einzelne Nachlassgegenstände dient und nur auf diese Weise das zum Nachlass gehörende Recht erhalten werden kann[7],
  • Widerspruch gegen Baugenehmigung für Nachbargrundstück[8],
  • Einlegung von Rechtsmitteln[9],
  • dringende Reparaturarbeiten am Hausgrundstück, z. B. Instandsetzung des durch Sturm abgedeckten Daches.

Nicht hierzu gehören lediglich nützliche Maßnahmen:

  • Wiederaufbau eines zerstörten Hauses,
  • Abschluss eines langjährigen Mietvertrags,
  • Klage auf Rechnungslegung[10],
  • Feststellungsklage[11] vor dem Verwaltungsgericht,
  • Mieterhöhungsverlangen.[12]

Führt ein Miterbe Notverwaltungsgeschäfte aus, werden hierdurch die anderen Miterben wie auch außenstehende Vertragspartner wirksam verpflichtet (Innen- und Außenverhältnis).

Risiko trägt Handelnder

Der ohne Zustimmung der anderen handelnde Miterbe trägt das Risiko dafür, dass sich die Maßnahme im Nachhinein nicht als notwendig erweist und damit weder die Erbengemeinschaft noch Außenstehende bindet. Gegenüber Dritten haftet allein der vertragschließende Miterbe. Allerdings kann er die übrigen Miterben auf Genehmigung der von ihm getroffenen Maßnahme verklagen, um deren Mithaftung zu erreichen.

Geschäftsführung ohne Auftrag

Der Miterbe, der ohne Auftrag ein Nachlassgrundstück verwaltet, ist im Fall einer unterlassenen Mieterhöhung den anderen Miterben gegenüber nicht schadensersatzpflichtig.[13]

[1] Die Rechtslage ist vergleichbar mit derjenigen bei der Bruchteilsgemeinschaft, vgl. § 744 Abs. 2 BGB, ferner BGH, Urteil v. 6.3.2008, III ZR 219/07, ZErb 2008, 315.
[2] Grüneberg/Weidlich, BGB, § 2038 Rn. 11 m. w. N.
[3] BGH, Urteil v. 8.5.1952, IV ZR 208/51, NJW 1952, 1252,

s. Abschn. 3.1.

[4] Wendt, ErbR 2017, 58 61.
[5] Roth, NJW-Spezial 2021, 295.
[6] VGH Kassel, Urteil v. 14.1.1958, OS IV 24/57, NJW 1958, 1203.
[7] BVerwG, Beschluss v. 28.10.2013, 8 B 18.13, BeckRS 2013, 58655, dazu NJW-Spezial 2014, 8; VGH Mannheim, Urteil v. 16.9.2013, 2 S 889/13, NVwZ-RR 2014, 70.
[8] VGH Mannheim, Beschluss v. 6.11.2012, 3 S 2003/12, NJW 2013, 889.
[9] BVerwG, Urteil v. 7.5.1965, IV C 24/65, NJW 1965, 1546.
[10] OLG Hamm, Urteil v. 1.12.1975, 8 U 204/75, BB 1976, 671.
[11] VGH München, Beschluss v. 7.4.2014, 2 ZB 12.2332, BeckRS 2014, 50171.

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