Leitsatz

  1. Vorauszahlungen auf die Einkommensteuer sind grundsätzlich in vier gleich großen Teilbeträgen zu leisten. Eine Ausnahme hiervon kommt insbesondere nicht in Betracht, soweit der Steuerpflichtige geltend macht, der Gewinn des laufenden Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig.
  2. Das geltende Vorauszahlungssystem ist verfassungsgemäß.
 

Sachverhalt

Ein Rechtsanwalt wandte sich gegen die gleichmäßige Festsetzung seiner Einkommensteuer-Vorauszahlungen mit der Behauptung, seine Kanzlei erziele regelmäßig nur etwa 30 % ihres Gewinns im ersten Halbjahr. Er könne deshalb nicht verpflichtet sein, bis zum 10.6. 50 % der Steuern auf den voraussichtlichen Jahresgewinn zu entrichten. Ebenso könne er nicht verpflichtet sein, am 10.3. mehr Steuern zu zahlen, als anteilig auf die ersten beiden Monate des Jahres entfielen. Dem folgten weder Finanzamt noch FG und BFH.

 

Entscheidung

§ 37 EStG gibt zwar vor, wann die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer zu leisten sind und wonach sich ihre Gesamthöhe richtet, bestimmt aber nicht ausdrücklich, wie die insgesamt zu entrichtende Vorauszahlung auf die einzelnen Termine zu verteilen ist. Die Vorschrift ist daher auslegungsbedürftig. Die Auslegung ergibt, dass Vorauszahlungen grundsätzlich in gleich hohen Teilbeträgen festzusetzen sind. Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige einwendet, der Gewinn des Veranlagungszeitraums entstehe nicht gleichmäßig.

Für diese Auslegung sprechen folgende Argumente:

  • Gleich hohe Teilbeträge waren bereits nach den EStG 1925 und EStG 1934 festzusetzen. Die entsprechende Vorschrift wurde zwar später ohne ersichtlichen Grund gestrichen. Dennoch wurde in der Literatur nicht infrage gestellt, dass die Vorauszahlungen grundsätzlich in vier gleich hohen Teilbeträgen zu leisten sind.
  • Der Gesetzgeber hatte sich bewusst für ein Vorauszahlungssystem entschieden, das aus Vereinfachungsgründen ohne unterjährige Ermittlungen des Einkommens auskommt. Systemkonform ist allein ein rechnerischer Aufteilungsmaßstab, der ohne tatsächliche Ermittlungen im Einzelfall angewandt werden kann. Die Bemessung der Vorauszahlungen nach anderen Kriterien würde von der Finanzverwaltung und den Steuerpflichtigen einen erheblichen Mehraufwand erfordern.

Das Vorauszahlungssystem ist verfassungskonform. Es greift weder unverhältnismäßig in grundrechtlich geschützte Positionen ein noch verstößt es gegen das Gebot der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit. Der Nichtberücksichtigung der unterjährigen Leistungsfähigkeit steht der Vorteil erheblicher Verwaltungsvereinfachung und Entlastung der Steuerpflichtigen gegenüber. Unverhältnismäßig hohe Vorauszahlungen können zudem durch Anpassungen grundsätzlich vermieden werden.

Führt die gleichmäßige Bemessung der Vorauszahlungen im Einzelfall zu Zahlungsschwierigkeiten, kann dem durch Billigkeitsmaßnahmen, z.B. durch Stundung, Rechnung getragen werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 22.11.2011, VIII R 11/09.

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