Leitsatz (amtlich)

Geschäftsguthaben von Mitgliedern einer eingetragenen Genossenschaft, deren Mitgliedschaft durch Kündigung, bei Tod oder infolge Ausschlusses "zum Schluss eines Geschäftsjahres" (31. Dezember) endet, sind bei der auf den 1. Januar des Folgejahres durchzuführenden Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Genossenschaft als Schuldposten zu berücksichtigen.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine eingetragene Genossenschaft. In ihrer Steuerbilanz zum 31.12.1993 bildete sie passive Bilanzposten von 6 859 DM und 5 406 DM für Geschäftsguthaben von Mitgliedern, die zum "Schluss des Geschäftsjahres" 1993 ausgeschieden waren. In ihrer auf den Abschlusstag (31.12.1993) gefertigten Vermögensaufstellung erfasste die Klägerin die Geschäftsguthaben der zum Jahresschluss ausgeschiedenen Mitglieder als Schuldposten. Das Finanzamt ließ diese Geschäftsguthaben nicht zum Abzug vom Rohbetriebsvermögen zu, weil es sich insoweit ertragsteuerrechtlich um Eigenkapital der Klägerin handele. Das FG wies die Klage ab[1]. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens sind Schulden und sonstige Abzüge zu berücksichtigen und vom Rohbetriebsvermögen abzusetzen[2]. Nach § 103 BewG ist hierfür Voraussetzung, dass die Schulden und sonstigen Abzüge nach § 95 Abs. 1 BewG zum Betriebsvermögen gehören und mit der Gesamtheit oder einzelnen Teilen des Betriebsvermögens im wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Die Geschäftsguthaben der zum Jahresschluss 1993 gekündigten Mitgliedschaften bzw. der zu diesem Zeitpunkt ausscheidenden Genossen sind in dem nach § 106 Abs. 2 BewG maßgeblichen Abschlusszeitpunkt 31.12.1993 nicht als Eigenkapital der Klägerin, sondern als Schuld der Klägerin gegenüber den zum Jahresschluss 1993 ausgeschiedenen Genossen anzusehen. Denn die Zugehörigkeit der Geschäftsguthaben der ausscheidenden Genossen zum Vermögen (Eigenkapital) der Genossenschaft war zeitlich beschränkt auf die Dauer der Mitgliedschaft dieser Genossen. Diese endete noch im Jahr 1993. Damit haben die Geschäftsguthaben dieser Mitglieder noch im Jahr 1993 ihren Eigenkapitalcharakter verloren und sich in schuldrechtliche Ansprüche auf eine Auseinandersetzungsforderung gegen die Klägerin, also in eine nach § 103 Abs. 1 BewG abziehbare Betriebsschuld umgewandelt[3].

Nach der Satzung der Klägerin, die insoweit den §§65 ff. GenG entspricht, endet die Mitgliedschaft der durch Kündigung, bei Tod oder infolge Ausschlusses ausscheidenden Genossen "zum Schluss eines Geschäftsjahres". Diese Formulierung spricht objektiv dafür, dass das Ausscheiden der Genossen am Ende des Geschäftsjahres (Ende des maßgeblichen Abschlusstages; 31.12.), d.h. in der denkbar letzten Zeiteinheit dieses Tages bzw. Geschäftsjahres und nicht erst am folgenden Tag bzw. im folgenden Geschäftsjahr erfolgen soll. Handelt es sich demnach bei dem Ausscheiden der Genossen zum Schluss des Geschäftsjahres 1993 um ein zeitlich (noch) in dieses Geschäftsjahr fallendes Ereignis, sind dessen Folgen gemäß § 106 Abs. 4 BewG bei der auf den folgenden 1.1.1994 durchzuführenden Feststellung des Einheitswerts des Betriebsvermögens der Klägerin zu berücksichtigen[4]. Der wirtschaftliche Zusammenhang dieser Schulden mit dem Betriebsvermögen der Klägerin liegt vor. Denn die Entstehung der Schuld beruht ursächlich und unmittelbar auf Vorgängen, die das Betriebsvermögen der Klägerin betreffen[5].

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 17.5.2000 - II R 2/98

[2] Vgl. § 98a BewG
[5] Vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18.12.1990, VIIIR 1/88, BStBl II1991, S. 911

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