Rz. 545

Der Gesellschaftsvertrag für Wohnungsgesellschaften mbH sieht als Zweck die Bereitstellung von Wohnraum für breite Bevölkerungsschichten zu wirtschaftlich vertretbaren Bedingungen vor (§ 2 Abs. 1 GV). Um diesen Zweck im Einzelfall verwirklichen zu können, wird als Unternehmensgegenstand ein weites Feld von Tätigkeiten vorgesehen, das Wohnungs- und Immobiliengesellschaften ausüben können (§ 2 Abs. 2 bis 4 GV). Aber selbst bei Einhaltung der geschuldeten Sorgfaltspflichten der Geschäftsführer lässt sich dennoch die Gefahr von Fehleinschätzungen bei unternehmerischem Handeln zwangsläufig nicht völlig vermeiden. Auch in der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft müssen unter Umständen geschäftliche Risiken eingegangen werden, um sich am Markt behaupten zu können und um wirtschaftliches Wachstum, zum Beispiel durch das Erschließen neuer Geschäftsfelder, erreichen zu können. Dadurch bedingte Fehlentwicklungen führen deshalb nicht ohne Weiteres zu einer Haftung der Geschäftsführer. Die Mitglieder des Geschäftsführungsorgans der GmbH haften somit grundsätzlich nicht für den Erfolg des Unternehmens, sondern (nur) für die Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten.

 

Rz. 546

Der BGH hat in seiner "ARAG/Garmenbeck-Entscheidung"[1] ausgeführt, dass dem Vorstand bei der Leitung der Geschäfte – im vorliegenden Fall einer Rechtsschutzversicherung in Form einer AG – ein weiter Handlungsspielraum zugebilligt werden muss, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schlechterdings nicht denkbar ist. Dazu gehört nach der Entscheidung des BGH neben dem bewussten Eingehen geschäftlicher Risiken grundsätzlich die Gefahr von Fehlurteilen und Fehleinschätzungen, der jeder Unternehmensleiter, mag er auch noch so verantwortungsbewusst handeln, ausgesetzt ist. Gewinnt der Aufsichtsrat den Eindruck, dass – im vorliegenden Fall dem Vorstand – das nötige Gespür für eine erfolgreiche Führung des Unternehmens fehlt, er also keine "glückliche Hand" bei der Wahrnehmung seiner Leitungsaufgabe hat, kann ihm das Veranlassung geben, auf dessen Ablösung hinzuwirken. Eine Schadensersatzpflicht des Vorstands kann nach den Ausführungen des Gerichts daraus aber nicht hergeleitet werden. Diese kann vielmehr erst unter den folgenden Voraussetzungen Betracht kommen:

  • Die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, sind deutlich überschritten,
  • die Bereitschaft, unternehmerische Risiken einzugehen, sind in unverantwortlicher Weise überspannt worden oder
  • das Verhalten des Vorstands muss aus anderen Gründen als pflichtwidrig gelten.
 

Rz. 547

In seiner weiteren Rechtsprechung hat der BGH, unter Bezugnahme auf die "ARAG/ Garmenbeck-Entscheidung", bestätigt, dass auch dem Vorstand einer Genossenschaft – konkret einer Bank in der Rechtsform einer eG – im Grundsatz bei der Leitung der Geschäfte ein weiter Handlungsspielraum zuzubilligen ist, ohne den eine unternehmerische Tätigkeit schwerlich denkbar ist. Dieser Handlungsspielraum kann auch im Ansatz das bewusste Eingehen geschäftlicher Risiken mit der Gefahr von Fehlurteilen und Fehleinschätzungen umfassen. Er ist jedoch dann überschritten, wenn aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einer Genossenschaft (hier konkret: einer Genossenschaftsbank) das hohe Risiko eines Schadens unabweisbar ist und keine vernünftigen geschäftlichen Gründe dafür sprechen, es dennoch einzugehen. So ist nach dem Urteil des BGH eine Pflichtverletzung insbesondere dann gegeben, wenn das Vorstandsmitglied gegen die in dieser Branche anerkannten Erkenntnisse und Erfahrungsgrundsätze verstößt.[2]

 

Rz. 548

Entscheidend für die Beantwortung der Frage, ob eine Sorgfaltspflichtverletzung vorliegt, ist der Zeitpunkt, zu dem die unternehmerische Entscheidung vorgenommen wurde (ex ante). Das Gericht kann daher nicht eine nachträgliche Beurteilung (ex post) der Handlung des betreffenden Geschäftsführers vornehmen. Der Prüfungsmaßstab für das Handeln des jeweiligen Mitglieds der Geschäftsführung ist aber auch unter Berücksichtigung des unternehmerischen Ermessensspielraums, ob eine ordnungsmäßige Vorbereitung, Durchführung und Erfolgskontrolle des Entscheidungsprozesses erfolgte.

 

Rz. 549

Im Anschluss an die oben genannte Rechtsprechung des BGH hat der Gesetzgeber im Rahmen des Gesetzes zur Unternehmensintegrität und Modernisierung des Anfechtungsrechts (UMAG) vom 22.9.2005[3] die Regelung des § 93 Abs. 1 Satz 2 AktG eingefügt (sog. "Business Judgement Rule"). Danach liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln. Trotz des "weiten Ermessens- und Prognosespielraums" hat der Vorstand nach der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 91 Abs. 1 Satz 2 AktG[4] jedoch seine Pflichten zu beachten...

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