Rz. 491

Wenn nach dem Gesellschaftsvertrag ein Aufsichtsrat zu bestellen ist, findet die Vorschrift des § 105 AktG über die Verweisungsvorschrift des § 52 Abs. 1 AktG Anwendung, soweit nicht der Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt.[1] Das bedeutet, dass auch der Aufsichtsrat einer GmbH für einen im Voraus begrenzten Zeitraum, höchstens für ein Jahr, einzelne seiner Mitglieder zu Stellvertretern von fehlenden oder verhinderten Geschäftsführern bestellen kann. Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit ist zulässig, wenn dadurch die Amtszeit insgesamt ein Jahr nicht übersteigt. Während ihrer Amtszeit als Stellvertreter von Geschäftsführern können die Aufsichtsratsmitglieder keine Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied ausüben. Das Wettbewerbsverbot des § 88 gilt für sie nicht (§ 105 Abs. 2 AktG). "Verhinderung" bedeutet, dass die Geschäftsführer ihr Amt voraussichtlich für einen längeren Zeitraum nicht oder nicht mehr ordnungsgemäß ausüben können. In der Praxis handelt es sich dabei vor allem um Fälle wie schwere Erkrankungen sowie Amtsniederlegung und Tod. Abwesenheit wegen nur vorübergehender Verhinderung (kurzfristige Erkrankungen oder Urlaub) gehören nicht hierzu.[2]

 

Rz. 492

Die entsprechend anzuwendende Regelung des § 105 Abs. 2 AktG ermöglicht, dass in Fällen, in denen die Geschäftsführung nicht mehr beschlussfähig ist, die Handlungsfähigkeit der GmbH gewährleistet wird. Eine ausreichend besetzte Geschäftsführung, die die GmbH gegenüber Dritten vertritt, hat sogar Vorrang vor einem – zudem im GmbH-Recht der Regel fakultativen – Aufsichtsrat, der durch den vorübergehenden Wechsel eines seiner Mitglieder in die Geschäftsführung vorübergehend beschlussunfähig wird.[3]

 

Rz. 493

Wichtig ist, dass der Aufsichtsrat einen konkreten Zeitraum für die Dauer des Wechsels eines seiner Mitglieder in die Geschäftsführung beschließt, das heißt, Beginn und Ende des Bestellzeitraums müssen bestimmbar sein. Vorratsbeschlüsse für künftige, unbestimmte Fälle der Verhinderung von Geschäftsführern sind unzulässig.[4]

 

Rz. 494

Der Beginn und das Ende der Tätigkeit des vom Aufsichtsrat bestellten Stellvertreters für den verhinderten Geschäftsführer als neues, rechtlich vollwertiges Mitglied des Geschäftsführungsorgans der GmbH sind nach §§ 39, 78 GmbHG zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden. Ein gemäß § 105 Abs. 2 AktG bestellter Geschäftsführer gehört auch weiterhin dem Aufsichtsrat an; er darf aber dieses Amt für die Dauer der Bestellung zum Geschäftsführer nicht ausüben, weil es während dieser Zeit ruht.[5]

 

Rz. 495

Praktische Umsetzung

Der Tagesordnungspunkt sowie der Beschlussvorschlag der Aufsichtsratssitzung zur befristeten Bestellung eines seiner Mitglieder zum Geschäftsführer könnten so aussehen:

 

Muster: TOP und Beschlussvorschlag zur befristeten Bestellung eines Stellvertreters

TOP ___: Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds als Stellvertreter für den Geschäftsführer/die Geschäftsführerin ________ (Name des Geschäftsführers/der Geschäftsführerin) gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG und § 105 Abs. 2 AktG

Beschlussvorschlag zu TOP ___

Der Aufsichtsrat bestellt gemäß § 52 Abs. 1 GmbHG und § 105 Abs. 2 AktG ________ (Name des Aufsichtsratsmitglieds) für die Zeit vom _______ bis zum _______ zum Stellvertreter des/der verhinderten Geschäftsführers/Geschäftsführerin ________ (Name des Geschäftsführers/der Geschäftsführerin).

[1] So unter anderem auch Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG, § 52 Rn. 39 zur Möglichkeit der vorübergehenden Abordnung von Mitgliedern des fakultativen Aufsichtsrats in die Geschäftsführung mit Verweis auf § 105 Abs. 2 AktG.
[2] Unter anderem Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 105 Rn. 24.
[3] Siehe Beuthien/Beuthien, GenG, § 37 Rn. 3 zur entsprechenden Regelung im Genossenschaftsrecht.
[4] Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 105 Rn. 26 m. w. N.
[5] Spindler/Stilz/Spindler, AktG, § 105 Rn. 34.

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