Leitsatz

  1. § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG verbietet zwar die nachträgliche Einschränkung (vgl. BFH-Urteil vom 22.9.1999, XI R 121/96, BStBl II 2000, S. 218 = INF 2000, S. 316), nicht aber die betragsmäßige Erweiterung eines bereits vorliegenden begrenzten Antrags zum Realsplitting.
  2. Der Antrag auf Erweiterung kann auch noch nach Bestandskraft des Einkommensteuerbescheids gestellt werden.
  3. Der erweiterte Antrag stellt in Verbindung mit der erweiterten Zustimmungserklärung ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar.
 

Sachverhalt

E zahlte in den Streitjahren 1995 bis 1998 an seine geschiedene Ehefrau jährlich 27000 DM Unterhalt, beantragte in den Einkommensteuer-Erklärungen jedoch nur, 12000 DM als Sonderausgaben im Rahmen des Realsplittings zu berücksichtigen. Eine Zustimmungserklärung der Ex-Ehefrau zum Abzug in dieser Höhe lag dem Finanzamt ab dem Jahr 1990 vor. Das Finanzamt berücksichtigte die Unterhaltszahlungen erklärungsgemäß. Im Januar 2001 beantragte E, für die Streitjahre jeweils 27000 DM als Sonderausgaben abzuziehen. Das Finanzamt lehnte die Änderung der bestandskräftigen Bescheide ab. Im Klageverfahren legte E geänderte Anlagen "U" mit entsprechender Zustimmungserklärung der Ex-Ehefrau zum Abzug von jeweils 27000 DM ab 1995 vor. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Der Antrag des E, weitere 15000 DM jährlich als Sonderausgaben zu berücksichtigen, ist grundsätzlich zulässig. Der Unterhaltsleistende ist nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG an einen einmal gestellten Antrag nur insoweit gebunden, als er ihn nicht zurücknehmen kann. In der betragsmäßigen Erweiterung eines bereits gestellten begrenzten Antrags kann aber keine Rücknahme des Antrags gesehen werden. Der Antrag auf Erweiterung des Abzugsbetrags stellt vielmehr in Verbindung mit der erweiterten Zustimmungserklärung der geschiedenen Ehefrau ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO dar. Er konnte deshalb auch noch nach Rechtskraft des jeweiligen Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre gestellt werden.

 

Praxishinweis

Ein rückwirkendes Ereignis i.S. des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO hat der BFH bereits für den Fall angenommen, dass nach Eintritt der Bestandskraft erstmals die Zustimmung zur Anwendung des Realsplitting erteilt und der Antrag zum Abzug als Sonderausgaben gestellt wurde[1]. Gleiches muss für den erweiterten Antrag gelten. Denn die Situation für den Leistenden bei der Antragserweiterung ist mit derjenigen bei der erstmaligen Antragstellung vergleichbar. Für den Unterhaltsleistenden dürfte es gleich schwierig sein, eine erstmalige oder erweiterte Zustimmung zu bekommen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 28.6.2006, XI R 32/05

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