Leitsatz (amtlich)

Ein Arbeitnehmer mit Wohnsitz im Inland und Arbeitsort in der Schweiz, der an mehr an 60 Arbeitstagen nicht an seinen Wohnsitz zurückkehrt, unterliegt dennoch als Grenzgänger gemäß Art. 15a DBA-Schweiz der deutschen Besteuerung, wenn die Nichtrückkehr auf die Wahrnehmung eines gelegentlichen Nachtbereitschaftsdienstes zurückzuführen ist.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist als Chef de Service eines Schweizer Hotels im deutsch-schweizerischen Grenzbereich beschäftigt. Sie kehrte im Streitjahr 1995 an insgesamt 71 Tagen nicht an den deutschen Wohnort zurück, weil sie - im jeweiligen Einzelfall unvorhergesehenen - Bereitschaftsdienst hatte. Das Finanzamt behandelte sie als Grenzgängerin i.S. von Art. 15 Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz und unterwarf ihr Einkommen der deutschen Besteuerung. Klage und Revision der Klägerin blieben erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die ein Grenzgänger aus unselbständiger Arbeit bezieht, sind gemäß Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz in dem Vertragsstaat zu besteuern, in dem dieser ansässig ist. Grenzgänger ist gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz jede in einem Vertragsstaat ansässige Person, die in dem anderen Vertragsstaat ihren Arbeitsort hat und von dort regelmäßig an ihren Wohnort zurückkehrt. Die Grenzgängereigenschaft entfällt gemäß Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz, wenn die betreffende Person an mehr als 60 Tagen aufgrund ihrer Arbeitsausübung nicht jeweils nach Arbeitsende an ihren Wohnort zurückkehrt. Bei der Auslegung dieser Einschränkungen ist das Verhandlungsprotokoll zum Änderungsprotokoll vom 18.12.1991[1] zu beachten. Die Annahme einer regelmäßigen Rückkehr an den Wohnsitz i.S. von Art. 15a Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz wird danach nicht dadurch ausgeschlossen, dass sich die Arbeitsausübung bedingt durch betriebliche Umstände, wie z.B. bei Schichtarbeitern oder Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst, über mehrere Tage erstreckt.

Diese Einschränkung in dem Verhandlungsprotokoll ist dahin zu verstehen, dass bei einer sich über mehrere Tage erstreckenden Arbeitsausübung eine "regelmäßige" Rückkehr i.S. von Art. 15a Abs. 2 Satz 1 DBA-Schweiz unterstellt und damit eine zwischenzeitliche Rückkehr an den Wohnort fingiert wird; solche Tage der Nichtrückkehr berühren die Grenzgängereigenschaft folglich nicht. So verhält es sich auch bei der Klägerin; ihre Tätigkeit ist eine "mehrtägige" i.S. der Protokollvereinbarung. Denn die darin zur Erläuterung der mehrtägigen "betrieblichen Umstände" benannten Berufsgruppen und Tätigkeiten sind lediglich beispielhaft und nicht abschließend. Die betroffenen Tätigkeiten müssen deswegen nicht solche sein, die arbeitsvertraglich auf eine entsprechende Mehrtägigkeit angelegt sind. Zwar mag dies bei Schichtarbeitern oder bei Krankenhauspersonal mit Bereitschaftsdienst zutreffen. Ausschlaggebend für die in Art. 15a Abs. 2 Satz 2 DBA-Schweiz gemachte Einschränkung sind indes die "betrieblichen Umstände", die die Mehrtägigkeit der Arbeitsausübung auslösen. Solche betrieblichen Umstände liegen jedoch nicht nur vor, wenn sie vertraglich ausbedungen und gewissermaßen berufstypisch, vielmehr auch dann, wenn sie durch wiederholte außergewöhnliche Gründe, also - so die Kläger - durch "situationsbedingte längere Arbeitseinsätze" veranlasst sind.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 16.5.2001 – I R 100/00

[1] Vgl. BStBl I 1993, S. 929; dort Abschn. II zu Art. 15a Abs. 2 DBA-Schweiz

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