Leitsatz

Ersetzen Freiaktien einer niederländischen AG entsprechend einem vereinbarten Wahlrecht die Bardividende, unterliegen sie als Einnahmen aus Kapitalvermögen der Einkommensteuer nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG; die Voraussetzungen der §§ 1, 7 KapErhStG für einen steuerfreien Erwerb der Anteile liegen insoweit nicht vor. Eine tatsächliche Vermutung spricht dafür, dass der Wert der Freiaktien zumindest dem Betrag der "ersetzten" Bardividende entspricht.

 

Sachverhalt

K bezog aus einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung an einer niederländischen AG entsprechend einer in der Satzung der Gesellschaft vorgesehenen Wahlmöglichkeit statt einer Dividende im Nominalbetrag von ca. 338000 DM (1997) bzw. ca. 759000 DM (1998) Freiaktien. Das Finanzamt behandelte diese als Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe des Werts der Bardividende, da § 7 KapErhStG nicht einschlägig sei. Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück. Der Bezug der Freiaktien ist gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG steuerbar, denn die Freiaktien ersetzen entsprechend dem vereinbarten Wahlrecht die Bardividende.

Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung nach den §§ 1, 7 Abs. 1 KapErhStG verneint der BFH. Erhöht eine Kapitalgesellschaft ihr Kapital durch Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital, zählt der Wert der neuen Anteilsrechte bei den Anteilseignern nach § 1 KapErhStG nicht zu den steuerpflichtigen Einkünften, denn bei einer handelsrechtlich wirksamen Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, bei der die umzuwandelnden Rücklagen in der letzten Jahresbilanz als solche ausgewiesen werden, führt der automatische Zuerwerb neuer Anteilsrechte nicht zu Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 EStG. Das gilt nach § 7 Abs. 1 KapErhStG auch für Kapitalerhöhungen ausländischer Gesellschaften. Indes muss die zu beurteilende ausländische Kapitalerhöhungsmaßnahme nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 KapErhStG in ihrem materiellen Wesensgehalt der Rücklagenumwandlung nach den §§ 207ff. AktG entsprechen. Dazu gehört insbesondere, dass der Gesellschafter mit den neuen Anteilsrechten nichts erwirbt, was er nicht schon besessen hätte. Entscheidend ist daher, dass der Gesellschaft keine neuen Mittel zugeführt werden, sondern dass das Grundkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht wird. Die Eintragung einer derartigen Maßnahme als Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln in ein ausländisches Handelsregister kann nur insoweit Gewähr dafür bieten, dass es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt, als das ausländische Registerrecht dem deutschen Registerrecht entspricht. Die Eintragung in das ausländische Handelsregister ist deshalb dann nicht als konstitutiv zu betrachten, wenn aus ihr nicht unmissverständlich hervorgeht, dass es sich um eine Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln handelt. Die Feststellungslast für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 7 Abs. 1 Satz 1 KapErhStG trifft den Anteilseigner. Der Bezug von Freiaktien erfüllt die Voraussetzungen von § 1 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 1 KapErhStG jedoch nicht. Werden Freiaktien durch den Verzicht auf eine Bardividende erworben, ist das die Folge einer individuellen Erwerbsentscheidung; denn die Freiaktien werden im Ergebnis durch Verzicht auf eine Bardividende mit der Folge geänderter Beteiligungsverhältnisse erlangt. Die Voraussetzungen einer Steuerbefreiung gemäß der §§ 1, 7 Abs. 1 KapErhStG sind daher nicht erfüllt. Eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung ist darin nicht zu sehen. Sind Freiaktien und Dividendenbezug wirtschaftlich gleichwertig, spricht eine tatsächliche Vermutung dafür, dass der Börsenwert der bezogenen Aktien zumindest der "ersetzten" Bardividende entspricht. Die steuerbaren Freianteile sind daher nach § 8 Abs. 2 EStG in Höhe der Bardividende anzusetzen, an deren Stelle sie gewählt und bezogen werden.

 

Praxishinweis

Der BFH bleibt strikt bei seiner Linie, dass eine Erhöhung von Nennkapital durch Umwandlung von Rücklagen nicht zu Einkünften i.S. von § 2 Abs. 1 EStG führt. Das setzt jedoch voraus, dass das Grundkapital durch Umwandlung von Rücklagen erhöht wird und der Gesellschaft keine neuen Mittel zugeführt werden. Ersetzt der Bezug von Freiaktien die Dividendenzahlung, so liegt in der Zuwendung von Freiaktien gegenüber der Bardividende eine Leistung an Erfüllungs statt; der Bezug der Freiaktien ist insoweit Folge einer individuellen Erwerbsentscheidung. Eine Kapitalerhöhung durch Umwandlung von Rücklagen liegt nicht vor. Die steuerbaren Freianteile sind dann in Höhe der Bardividende, an deren Stelle sie treten, anzusetzen.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 14.2.2006, VIII R 49/03

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