Leitsatz

Auch dann, wenn jemand aufgrund eines Finanzierungskonzepts eine Sofortrente als abgekürzte Leibrente (Rente I) durch ein endfälliges Darlehen finanziert und die auszuzahlenden Rentenleistungen u.a. dazu verwendet, um die Prämien für eine aufgeschobene Leibrente (Rente II) zu zahlen, sind Leibrenten bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht grundsätzlich getrennt zu beurteilen.

Verwendet der Steuerpflichtige die ausgezahlten Rentenbeträge dazu, weitere Einkunftsquellen anzuschaffen und Werbungskosten zu begleichen, so setzt sich der wirtschaftliche Zusammenhang des Darlehens mit der Rente I in Höhe des zurückfließenden Kapitals, das jede Rente neben dem Ertragsanteil enthält, an den neuen Kapitalanlagen fort (sog. Surrogationsbetrachtung).

 

Sachverhalt

Ein Versicherungsmakler stellte A 1998 ein Finanzierungskonzept für "Die lebenslange Rente – eine etwas andere Lösung" vor. Danach sollte eine als abgekürzte Leibrente ausgestaltete Sofortrente mittels eines Bankkredits finanziert und die Zahlungen aus der Sofortleibrente als Beiträge für eine aufgeschobene lebenslange Rente verwendet werden. Dementsprechend schloss A einen Vertrag ab, nach dem ihm – gegen Zahlung von 1 Mio. DM – sofort beginnende und auf 15 Jahre begrenzte Rentenzahlungen zufließen (Rente I). Zugleich schloss A einen aufgeschobenen Versicherungsvertrag (Rente II) ab, aus dem – beginnend in 15 Jahren – eine lebenslängliche Rente gezahlt wird. Die Einmalzahlung für die Rente I finanzierte A mit einem endfälligen Darlehen von ca. 1,1 Mio. DM. Aus den sofort beginnenden Zahlungen aus der Rente I zahlte A die Zinsen für das Darlehen, einen Sparbeitrag für einen Investmentfonds und die Beiträge für die aufgeschobene Renten II, jährlich 50000 DM. In seiner Einkommensteuererklärung erklärte A bei den sonstigen Einkünften den Rentenbetrag mit seinem Ertragsanteil und Aufwendungen für das endfällige Darlehen. Das Finanzamt lehnte die Berücksichtigung der Rente I mangels Einkünfteerzielungsabsicht ab; die Erträge aus der Rente II könnten nicht einbezogen werden. So auch das FG, nicht aber der BFH.

 

Entscheidung

Der BFH betrachtet jede Leibrente bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht grundsätzlich getrennt. Bei den Überschusseinkünften ist das jeweilige Rechtsverhältnis Steuergegen-stand. Allerdings darf der gesamte Finanzierungsaufwand, der durch das endfällige Darlehen entsteht, nicht allein mit der Rente I in wirtschaftlichen Zusammenhang gebracht werden. Zwar hat A dieses Darlehen aufgenommen, um die Rente I zu finanzieren. Indes kommt es nicht allein auf den ursprünglichen Zweck der Schuldaufnahme an, sondern auf den wirtschaftlichen Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart im Zeitpunkt ihres Entstehens. Hier greift als besondere Form des wirtschaftlichen Zusammenhangs die Surrogationsbetrachtung ein: Wie bei der Veräußerung eines Grundstücks das Darlehen in wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem an die Stelle des Grundstücks getretenen Veräußerungserlös tritt, setzt sich das Darlehen zur Finanzierung der Rente I an dem zurückgezahlten Kapital fort. Wird damit z.B. die Rente II finanziert, besteht hinfort ein Zusammenhang mit eben dieser Rente. Das mindert den Finanzierungsaufwand der Rente I, was bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht zu beachten ist. Deutlich wird dies an folgendem Beispiel, das der BFH zur Illustration seiner neuen Rechtsprechung gebildet hat:

Für die Ertragsprognose wird die Rentenzahlung des ersten der 15 Jahre herangezogen. Die ausgezahlte Rente beträgt 118118 DM, darin enthalten ist eine Kapitalrückzahlung von 85044 DM. Mit dieser Rente begleicht A die Anschaffungskosten der Rente II von 50000 DM und die Zinsen für das Darlehen von 46000 DM. Mit dem Rest von 22118 DM erwirbt er Fondsanteile. Durch die Surrogation des Darlehens sind die Anschaffungskosten der Rente II in Höhe von 72 % – dem Anteil der Kapitalrückzahlung – fremdfinanziert.

 

Praxishinweis

Das FG, an das die Sache zurückgeht, muss erneut rechnen. Konsequenz der Surrogationsbetrachtung ist, dass sich die mit der Rente I zusammenhängende Darlehenssumme in den Jahren der Laufzeit fortlaufend reduziert und sich bei der Rente II "aufbaut". Dieses Modell berücksichtigt die wirtschaftliche Verbindung, welche die Vertragsbeteiligten zwischen den Renten hergestellt haben. Die Surrogationsbetrachtung eröffnet den Blick für einen sich fortsetzenden wirtschaftlichen Zusammenhang, ohne dass man den Grundsatz der getrennten steuerrechtlichen Beurteilung jedes Rechtsverhältnisses aufgibt.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 17.8.2005, IX R 23/03

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