Leitsatz

Zivilrechtliche Verzugs- oder Prozesszinsen sind bei steuerlicher Betrachtung Entgelte für die unfreiwillige Vorenthaltung von Kapital und damit Kapitalerträge i.S.v. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG.

Fordert ein Schuldner den in Erfüllung einer vermeintlichen privaten Schuld geleisteten Geldbetrag erfolgreich zurück, sind die vom Gläubiger neben der Rückzahlung geleisteten Verzugszinsen nicht der Besteuerung beim Empfänger zugrunde zu legen, wenn ihnen Zinsen in übersteigender Höhe gegenüberstehen, die durch die Refinanzierung der ursprünglichen Zahlung auf die vermeintliche Schuld veranlasst waren.

 

Sachverhalt

K bürgte für fremde Schulden "auf erstes Anfordern", wurde daraus in Anspruch genommen und musste dafür Kredite aufnehmen. Seine gegen die Inanspruchnahme gerichtete Klage war nach mehr als 10 Jahren erfolgreich: Ein Teil der Bürgschaftssumme wurde nebst Verzugszinsen zurückgezahlt. Das Finanzamt setzte die Verzugs- und Prozesszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen an, berücksichtigte jedoch die Schuldzinsen mangels Zusammenhang mit den Verzugszinsen nicht. Die dagegen erhobene Klage blieb erfolglos, nicht aber die Revision.

 

Entscheidung

Die vereinnahmten Zinsen sind zwar steuerbare Einnahmen aus Kapitalvermögen, ihnen stehen aber übersteigende Kreditzinsen als Werbungskosten gegenüber. Die Zahlungen an den Bürgschaftsinhaber dienten zunächst der Erfüllung der Bürgschaftsverpflichtung; daher waren die Schuldzinsen durch die Bürgschaftsinanspruchnahme veranlasst. Dies wurde jedoch durch einen neu begründeten, anderen Veranlassungszusammenhang überlagert.

Da K "auf erstes Anfordern" zahlen musste, konnte er Einwendungen nur per Rückforderungsklage geltend machen. Nachdem die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft sich jedoch als nicht gerechtfertigt erwiesen hat, diente der Kredit der Finanzierung eines Bereicherungsanspruchs des K. Bei einer erzwungenen Kapitalüberlassung reicht es zur Begründung des Zusammenhangs zwischen Kreditaufnahme und späteren Zinseinnahmen aus, wenn das Darlehen aufgenommen wurde, um die (nicht gerechtfertigte) Forderung zu erfüllen.

 

Hinweis

Verzugs- und Prozesszinsen gehören zu den steuerbaren Kapitalerträgen, auch wenn sie zwangsweise entstehen, weil Kapital dem Gläubiger vorenthalten wird. Da es um "Zwangseinnahmen" geht, ist die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht obsolet. Wenn zwangsweise vereinnahmte Zinsen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit tatsächlich steigern, sind sie steuerbar, auch wenn der Empfänger sie nicht vereinnahmen wollte. Es ist allein zu prüfen, ob sich unter Berücksichtigung vereinnahmter Verzugs- oder Prozesszinsen und damit zusammenhängender Kreditzinsen insgesamt ein Einnahmen­überschuss ergibt. Da die Prüfung, ob ein Totalüberschuss erzielt wird, stets periodenübergreifend angelegt ist, ist es unerheblich, wenn Zinseinnahmen und Kreditzinsen in unterschiedlichen Jahren anfallen.

Sind die Kreditzinsen früher entstanden als die Verzugs- oder Prozesszinsen, läge der Abzug als vorab entstandene Werbungskosten nahe. Daran ist der Steuerpflichtige aber gehindert, wenn er – wie im Fall eines Zivilprozesses – nicht absehen kann, dass künftig Verzugs- oder Prozesszinsen anfallen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 24.5.2011, VIII R 3/09.

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