Leitsatz

Der Erwerb aller Anteile an einer Kapitalanlagegesellschaft i.S. von § 1 Abs. 1 KAGG unterliegt nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer. Von diesem Erwerb erfasst werden auch die von der Kapitalanlagegesellschaft im Sondervermögen nach § 6 Abs. 1 KAGG gehaltenen Grundstücke.

 

Sachverhalt

Die A-AG erwarb 1994 alle Geschäftsanteile an einer Investment-GmbH, einer Kapitalanlagegesellschaft nach § 1 Abs. 1 KAGG, zu deren Sondervermögen 34 inländische Grundstücke gehörten. Die Grundstücke hatte die Investment-GmbH im eigenen Namen erworben; sie war als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen. Das Finanzamt nahm einen steuerbaren Erwerb der A-AG nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG in der im Jahre 1994 geltenden Fassung an. Hiergegen macht die A-AG geltend, der Investment-GmbH hätten die im Sondervermögen nach § 6 Abs. 1 KAGG gehaltenen Grundstücke nicht i.S. von § 1 Abs. 3 GrEStG"gehört".

 

Entscheidung

Nach § 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG unterliegt der Erwerb eines Anspruchs auf Übertragung aller Anteile an einer Gesellschaft der Grunderwerbsteuer, wenn zu deren Vermögen ein inländisches Grundstück gehört. Einer Gesellschaft gehört ein Grundstück, wenn es ihr grunderwerbsteuerrechtlich zuzurechnen ist. Dies ist regelmäßig der Fall, sobald hinsichtlich des Grundstücks ein grunderwerbsteuerbarer Erwerbsvorgang verwirklicht wurde. Diese Voraussetzungen liegen hier (auch) hinsichtlich der Grundstücke vor, die die Investment-GmbH nach § 6 Abs. 1 Satz 1 oder Abs. 2 KAGG mit eingelegtem Geld angeschafft oder als Ersatz erworben und im Sondervermögen gehalten hat.

Das gesetzlich angeordnete Getrennthalten der zum Sondervermögen gehörenden Grundstücke vom "eigenen Vermögen" und die Verfügungsbeschränkungen der Kapitalanlagegesellschaft rechtfertigen nicht die Annahme, dass die im Sondervermögen gehaltenen Grundstücke grunderwerbsteuerrechtlich nicht ihr, sondern etwa den Anteilsinhabern oder der Depotbank "gehören". Denn die Frage nach der grunderwerbsteuerrechtlichen Zuordnung eines Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft ist einer Zurechnung nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten nicht zugänglich. Die sich aus dem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Steuer unterliegenden Grundstückserwerb der Kapitalanlagegesellschaft für § 1 Abs. 3 GrEStG ergebende Zurechnungsfolge kann nicht durch den Hinweis darauf, dass die wirtschaftlichen Folgen aus dem Erwerb, der Vermietung und der Verwertung der im Sondervermögen gehaltenen Grundstücke nicht der Kapitalanlagegesellschaft, sondern den Anteilsinhabern zugute kommen, beseitigt werden.

 

Praxishinweis

Der Streitfall zeigt wieder einmal, dass die grunderwerbsteuerrechtliche Tatbestandsmäßigkeit eines Rechtsvorgangs nicht davon abhängig gemacht werden darf, ob der Rechtsvorgang für den Betroffenen vorteilhaft und wirtschaftlich erfolgreich war oder wem die wirtschaftlichen Vorteile zugute gekommen sind. Die Grunderwerbsteuer ist als Rechtsverkehrsteuer solchen Überlegungen nicht zugänglich.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 29.9.2004, II R 14/02

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