Leitsatz

Ein gewerblicher Veräußerungsgewinn, der nach § 16 Abs. 2 Satz 2 EStG aufgrund des Veräußerungszeitpunkts im laufenden Veranlagungszeitraum zu erfassen ist, muss nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG bei der Ermittlung der Einkünfte des Kindes für das laufende Kalenderjahr auch dann berücksichtigt werden, wenn er dem Kind tatsächlich erst nach dem laufenden Kalenderjahr zufließt.

 

Sachverhalt

Die Eheleute A und B sind die Eltern der im April 1979 geborenen Tochter T und des im Mai 1981 geborenen Sohnes S. Beide Kinder befanden sich während des ganzen Jahres 2004 in Berufsausbildung. S wohnte an seinem Studienort in der Schweiz. S und T waren an der gewerblichen Mitunternehmerschaft "X-atypisch stille Gesellschaft" beteiligt. Zum 31.12.2004 wurde die stille Beteiligung durch die Geschäftsinhaberin gekündigt. Streitig ist, ob der im Veranlagungszeitraum (VZ) 2004 zu erfassende, nach den vertraglichen Regelungen aber erst am 31.12.2005 des folgenden Jahres zugeflossene Veräußerungsgewinn aus den gewerblichen Beteiligungseinkünften als Einkünfte 2004 zu berücksichtigen ist.

Der BFH entscheidet, dass das Finanzamt zu Recht bei der nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG durchzuführenden Berechnung der Einkünfte der Kinder auch die Gewinne aus der Veräußerung der atypisch stillen Beteiligungen berücksichtigt hat. Die Gewährung eines Freibetrags für das sächliche Existenzminimum sowie eines Freibetrags für den Betreuungs- und Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf des Kindes setzt nach § 32 Abs. 6 Satz 1 EStG voraus, dass es sich um ein "zu berücksichtigendes Kind" des Steuerpflichtigen handelt. Zu berücksichtigen ist ein Kind im Jahr 2004 nur, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 EUR im Kalenderjahr hat.

Erzielt ein Kind Gewinneinkünfte nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG, sind diese auch im Rahmen des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht nach dem Zuflussprinzip zu erfassen, soweit sich aus den Regeln über die Gewinnermittlung (§ 4 Abs. 1 oder § 5 EStG) ein abweichender Realisationszeitpunkt ergibt. Der Zeitpunkt der Veräußerung ist be­stimmend für den Zeitpunkt der Gewinnverwirklichung, und zwar unabhängig davon, ob der Veräußerungserlös sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig ge­stundet ist und wann der Erlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt.

 

Hinweis

Die Einkünfte und Bezügegrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ist durch das Steuervereinfachungsgesetz 2011 mit Wirkung ab dem VZ 2012 aufgehoben worden. Ein volljähriges Kind zwischen 18 und 25 Jahren, das sich in Berufsausbildung befindet, wird künftig unabhängig von der Höhe seinern eigenen Einkünften und Bezügen berücksichtigt.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 22.12.2011, III R 69/09.

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