Leitsatz (amtlich)

Erfasst die von der Denkmalbehörde nach § 82i Abs. 2 EStDV (heute: § 7i Abs. 2 EStG) erteilte Bescheinigung Tatbestandsmerkmale, die zugleich denkmalschutzrechtliche und steuerrechtliche Bedeutung haben, so ist die in der Bescheinigung zum Ausdruck kommende denkmalschutzrechtliche Beurteilung (hier: der Wiederherstellung eines eingestürzten Hauses) auch steuerrechtlich bindend.

 

Sachverhalt

Die Klägerin erwarb 1976 für 50 000 DM ein als unbebautes Grundstück bewertetes Anwesen mit einem 1973 eingestürzten alten Bauernhaus. Die Kläger (Eheleute) ließen das Wohngebäude mit Scheune für rd. 917 000 DM wiederherstellen und machten in den Jahren 1979 bis 1988 Aufwendungen von insgesamt 709 968 DM als erhöhte Absetzungen gemäß § 82i EStDV geltend. Die damals zuständige Denkmalbehörde (Regierungspräsident) erteilte am 8.5.1980 folgende Bescheinigung: "Es wird hiermit bescheinigt, dass Ihr Gebäude, Wohnhaus mit Scheune…, ein Baudenkmal laut Gutachten des Landeskonservators vom 16.12.1975 ist. Die hieran durchgeführten Arbeiten, Rekonstruktion und Wiederherstellung des alten Zustandes, die zu Aufwendungen von 709 968 DM geführt haben, waren i.S. von §§ 82i und k EStDV nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes … als Baudenkmal … erforderlich." 1991 lehnte die Gemeinde als nunmehr zuständige untere Denkmalbehörde den Antrag der Kläger auf Eintragung des Gebäudes in die Denkmalliste ab. Das Finanzamt versuchte, die Bescheinigung vom 8.5.1980 durch die zuständige Denkmalbehörde widerrufen zu lassen. Das Ministerium für Stadtentwicklung und Verkehr NRW hielt einen solchen Widerruf aber lediglich mit Wirkung für die Zukunft für rechtmäßig und sah von einem Widerrufsverfahren ab, weil der Begünstigungszeitraum gemäß § 82i EStDV bereits abgelaufen war. Das Finanzamt hielt gleichwohl die Voraussetzungen des § 82i EStDV nicht für gegeben und änderte die ESt-Bescheide für die Streitjahre 1984, 1987 und 1988 entsprechend. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Nach § 82i Abs. 1 Satz 1 EStDV i.d.F. bis 31.12.1990 kann der Steuerpflichtige bei einem Gebäude, das nach den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften ein Baudenkmal ist, von den Herstellungskosten für Baumaßnahmen, die nach Art und Umfang zur Erhaltung des Gebäudes als Baudenkmal und zu seiner sinnvollen Nutzung erforderlich sind, im Jahr der Herstellung und in den neun folgenden Jahren jeweils 10 % absetzen. Die erhöhten Absetzungen können jedoch nur in Anspruch genommen werden, wenn der Steuerpflichtige die Voraussetzungen des Abs. 1 für das Gebäude und die Erforderlichkeit der Herstellungskosten durch eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde nachgewiesen hat. Nach Wortlaut und Zielsetzung von § 82i Abs. 2 EStDV sind nur Herstellungskosten an als Baudenkmal geschützten, bestehenden Gebäuden begünstigt, nicht hingegen der Wiederaufbau von Gebäuden[1]. Danach stünden den Klägern keine erhöhten Absetzungen zu, weil sie ein als unbebautes Grundstück bewertetes Anwesen mit einem eingestürzten Haus erworben und ein vollständig neues Gebäude errichtet haben.

Gleichwohl hat das FG den Klägern die strittigen erhöhten Absetzungen zu Recht zuerkannt, weil die damals zuständige Denkmalbehörde die denkmalrechtlichen Voraussetzungen des § 82i EStDV am 8.5.1980 bindend bescheinigt hat. Bei dieser Bescheinigung handelt es sich um einen Grundlagenbescheid[2]. Dieser Grundlagenbescheid ist indes nur insoweit bindend, als er den Nachweis der denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen des § 82i Abs. 1 EStDV erbringt. Über das Vorliegen der übrigen Tatbestandsmerkmale der steuerrechtlichen Vorschrift haben die Finanzbehörden hingegen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden[3]. Wieweit die Bindungswirkung der Bescheinigung im Einzelfall reicht, d.h. welche Sachverhaltselemente einer denkmalschutzrechtlichen Beurteilung unterzogen werden und wie diese lautet, hängt vom jeweiligen Inhalt der Bescheinigung ab. Ihr Regelungsinhalt ist erforderlichenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln. Entscheidend ist, wie der Adressat selbst nach den ihm bekannten Umständen - seinem "objektiven Verständnishorizont" -den materiellen Gehalt der Erklärung unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Nach diesen Maßstäben sind die denkmalschutzrechtlichen Voraussetzungen für das von den Klägern wieder aufgebaute Haus gemäß § 82i Abs. 2 EStDV bindend bescheinigt. Die von der ursprünglich zuständigen Denkmalbehörde der Bescheinigung zugrunde gelegte Rechtsauffassung, nach der auch ein Wiederaufbau (Neubau) ein Baudenkmal sein kann und die Aufwendungen für seine Errichtung zur Erhaltung als Baudenkmal erforderlich sein können, ist zwar denkmalschutzrechtlich unzutreffend. Sie ist aber dennoch für das Finanzamt bindend, da der Versuch, die Bescheinigung widerrufen zu lassen, erfolglos geblieben ist.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 13.9.2001 – IX R 62/98

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