Leitsatz

Die Beteiligung am Nachlass nach einem verstorbenen Elternteil führt nicht zu einem Bezug des Kindes i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG.

 

Sachverhalt

K ist der Vater der Auszubildenden S und C. Nach dem Tod ihrer Mutter, der früheren Ehefrau des K, waren S und C am Nachlass zu je 3/8 beteiligt. Die Familienkasse versagte das Kindergeld, da deren jeweiligen Einkünfte und Bezüge unter Berücksichtigung der Erbschaft den Jahresgrenzbetrag überschritten hätten. Immobilien und langfristige Kapitalanlagen blieben zwar außen vor, da diese nicht für den Lebensunterhalt bestimmt seien. Kurzfristig verfügbare Mittel auf Konten und Sparbüchern seien dagegen zur Bestreitung des Unterhalts geeignet. Das FG hat der Klage stattgegeben und der BFH die Revision als unbegründet zurückgewiesen.

 

Kommentar

Praxishinweis

Zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmte oder geeignete "Einkünfte und Bezüge" des volljährigen Kindes, die den Grenzbetrag überschreiten, schließen dessen Berücksichtigung bis einschließlich 2011 aus. Ab 2012 sind sie dagegen für das Kindergeld und den Ausbildungsfreibetrag ohne Bedeutung.

Unter Bezügen versteht die Rechtsprechung alle Zuflüsse in Geld oder Naturalleistungen, die nicht im Rahmen der einkommensteuerrechtlichen Einkünfteermittlung erfasst werden. Dazu gehören z.B. Lohnersatzleistungen, als Zuschuss gezahltes BAföG, Waisenrenten und Entlassungsgelder der Wehr- und Zivildienstleistenden. Steuerfreie Einkünfte sind begrifflich keine Bezüge, werden aber teilweise einbezogen.

Unterhaltsleistungen, über die gesetzliche Unterhaltspflicht hinausgehende freiwillige Leistungen der Eltern sowie Vermögensübertragungen eines Elternteils sind schon aus teleologischen Gründen nicht als Bezüge eines Kindes anzusetzen. In Betracht kommen nur Zuflüsse "von außen", sofern sie zum Bestreiten des Unterhalts oder der Berufsausbildung geeignet oder bestimmt sind.

Die Besprechungsentscheidung nimmt auch Erbschaften von einem Elternteil aus und begründet dies mit der Parallele zu lebzeitigen Schenkungen der Eltern sowie der Vermeidung praktischer Schwierigkeiten, die z.B. auftreten, wenn der Nachlass nur geringe liquide Mittel enthält, die sich für die Finanzierung des Unterhalts und der Ausbildung eignen. Unter welchen Voraussetzungen Schenkungen und Erbschaften von anderen Personen als Eltern zu den Bezügen gehören, hat der BFH noch nicht geklärt.

Das überzeugt allenfalls im Ergebnis, nicht aber in der Begründung. Denn Kinder können zugewendete Mittel regelmäßig unter Verstoß gegen eine Zweckbestimmung nach freiem Belieben verwenden, ohne eine Rückforderung befürchten zu müssen, und zugewandte Sachwerte zu Geld machen und dieses für Unterhalt und Ausbildung verbrauchen. Als "Radikallösung" böte es sich an, Schenkungen generell nicht als Bezüge anzusehen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, 4.8.2011, III R 22/10.

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