Leitsatz (amtlich)

Die in Ergänzung zur Hauptentschädigung in einem anderen Veranlagungszeitraum aus sozialer Fürsorge erbrachte Zusatzleistung ist nicht tarifbegünstigt nach § 34 EStG zu versteuern.

 

Sachverhalt

Nach dem Konkurs des Arbeitgebers des Klägers übernahm eine fremde Unternehmensgruppe zum 1.10.1995 den Betrieb unter der Voraussetzung, nur einen Teil der Arbeitsverhältnisse fortzuführen. Der Konkursverwalter traf am 23.9.1995 mit dem Betriebsrat eine Vereinbarung über die mit den betroffenen Arbeitnehmern zu schließenden Aufhebungsverträge. Danach wurde zum Ausgleich besonderer Härtefälle ein sozialer Härtefonds errichtet. Den zur Verfügung gestellten Betrag von 3 Mio. DM sollte der Konkursverwalter frühestmöglich, spätestens aber 1 Mio. DM bis zum 30.11.1995 und den Rest bis zum 31.3.1996 überweisen. Ein Rechtsanspruch auf Leistungen aus dem Härtefonds bestand nicht. Der Kläger schied zum 30.9.1995 aus dem Unternehmen aus. Er erhielt eine einmalige Abfindung von rd. 90 000 DM sowie aus dem Härtefonds am 22.11.1995 5 000 DM und am 1.8.1996 15 500 DM. Das Finanzamt sah die Abfindung - unter Berücksichtigung eines Freibetrags von 36 000 DM nach § 3 Nr. 9 EStG - sowie die Leistungen des Härtefonds nicht als nach § 34 EStG ermäßigt an. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab[1]. Die Revision hatte teilweise Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist hinsichtlich des Veranlagungszeitraums 1995 begründet, im Übrigen unbegründet.

Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche und nach § 34 Abs. 1 EStG ermäßigt zu besteuernde Einkünfte u.a. Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 EStG in Betracht. Sowohl die vom Konkursverwalter geleistete Abfindung als auch die Zahlungen aus dem Härtefonds verfolgten den Zweck, dem Kläger Ersatz i.S. des § 24 Nr. 1 EStG für den durch den Arbeitsplatzverlust bedingten Einnahmeverlust zu leisten. Zutreffend hat das FG sämtliche Zahlungen, die Ersatz für ein und dasselbe Schadensereignis beinhalten, als Teil einer einheitlich zu beurteilenden Entschädigung behandelt[2]. Zu Unrecht hat es allerdings die in 1996 geleistete Zahlung aus dem Härtefonds als für die ermäßigte Besteuerung der in 1995 zugeflossenen Abfindung und Härtefondszahlung schädlich angesehen.

Die ermäßigte Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und Abs. 2 EStG bezweckt, die Härten auszugleichen, die sich aus der progressiven Besteuerung der Entschädi- gung ergeben. Dementsprechend sind Entschädigungen i.S. des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG grundsätzlich nur dann außerordentliche Einkünfte, wenn die Entschädigung für entgangene oder entgehende Einnahmen, die sich bei normalem Ablauf auf mehrere Jahre verteilt hätten, vollständig in einem Betrag gezahlt wird oder wenn die Entschädigung nur Einnahmen eines Jahres ersetzt, sofern sie im Jahr der Zahlung mit weiteren Einkünften zusammenfällt und der Steuerpflichtige im Jahr der entgangenen Einnahmen keine weiteren (nennenswerten) Einnahmen gehabt hat. Bei einer Entschädigungszahlung, die sich auf zwei oder mehr Veranlagungszeiträume verteilt, ist eine Zusammenballung nicht gegeben; eine Anwendung des § 34 EStG kommt grundsätzlich nicht in Betracht.

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hält der Senat jedoch in solchen Fällen für geboten, in denen - neben der Hauptentschädigungsleistung - in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden. Dies sind beispielsweise Leistungen, die der (frühere) Arbeitgeber dem Steuerpflichtigen zur Erleichterung des Arbeitsplatz- oder Berufswechsels oder als Anpassung an eine dauerhafte Berufsaufgabe und Arbeitslosigkeit erbringt. Solche ergänzende Zusatzleistungen, die Teil der einheitlichen Entschädigung sind, sind unschädlich für die Beurteilung der Hauptleistung als zusammengeballte Entschädigung[3]. Nach diesen Grundsätzen ist die vom Betriebsrat in 1996 vorgenommene Auszahlung als eine in späteren Veranlagungszeiträumen aus sozialer Fürsorge erbrachte ergänzende Zusatzleistung zu beurteilen, die für die ermäßigte Besteuerung der Hauptleistung unschädlich ist. Diese (Rest-)Zahlung erfolgte außerhalb des zusammengeballten Zuflusses in 1995 und fällt damit nicht unter die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 1 EStG. Begünstigt sind die zu der einheitlichen Entschädigung gehörende Abfindung und die im Jahre 1995 erhaltene (Teil-)Zahlung aus dem Härtefonds von insgesamt 95 112 DM (90 112 DM + 5 000 DM) abzüglich des Freibetrags von 36 000 DM gemäß § 3 Nr. 9 EStG.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 6.3.2002 - XI R 16/01

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