Leitsatz (amtlich)

Die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis ist nicht als steuerbegünstigte Veräußerung zu beurteilen.

 

Sachverhalt

Der Kläger führte bis zum 31.3.1989 eine Einzelpraxis als Internist. Zum 1.4.1989 gründete er mit W eine Gemeinschaftspraxis und brachte die ihm gehörenden Gegenstände der Einzelpraxis in die Gemeinschaftspraxis ein. W zahlte dem Kläger entsprechend dem Gesellschaftsvertrag 150 000 DM als Gegenleistung für die eingebrachten Gegenstände und die Hälfte des ideellen Praxiswerts. Im Feststellungsbescheid rechnete das Finanzamt dem Kläger einen Gewinnanteil von 168 934 DM zu. Diese Feststellung wurde in den ESt-Bescheid vom 16.6.1993 übernommen. Nach Änderung des Feststellungsbescheids, durch die dem Kläger nur noch ein Gewinnanteil von 18 934 DM zugerechnet wurde, änderte das Finanzamt den ESt-Bescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 174 AO und erfasste die Ausgleichszahlung von 150 000 DM als laufenden Gewinn der Einzelpraxis. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage teilweise statt[1]. Gegen dieses Urteil legten beide Beteiligte Revision ein. Der zuständige XI. Senat des BFH[2] legte dem Großen Senat die folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vor: "Ist die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis als Veräußerung i.S. des § 18 Abs. 3 EStG zu beurteilen?".

 

Entscheidungsgründe

Der Große Senat geht davon aus, dass bei der Einbringung eines Betriebs in eine Personengesellschaft gegen eine Ausgleichzahlung des aufgenommenen Gesellschafters in das Privatvermögen des Einbringenden ein von der Einbringung gemäß § 24 UmwStG getrennt zu beurteilender Veräußerungsvorgang vorliegt. Die Zuzahlung, die der bisherige Einzelunternehmer von dem aufgenommenen Gesellschafter erhält, kann deshalb nicht den Rechtsfolgen des § 24 UmwStG unterworfen werden, weil insoweit ein Veräußerungsgewinn erzielt wird, der nach allgemeinen Grundsätzen im Zeitpunkt seiner Realisierung zu versteuern ist.

Der Tatbestand der Einbringung von Betriebsvermögen gegen die Gewährung von Gesellschaftsrechten i.S.v. § 24 UmwStG ist demnach nur insoweit erfüllt, als der Einbringende durch die Einbringung die Rechtsstellung eines Gesellschafters und Mitunternehmers der neu entstandenen Personengesellschaft erlangt. Auch für diesen Einbringungsvorgang gegen Zuzahlung in das Privatvermögen des Einbringenden hat indes die bisherige BFH-Rechtsprechung die steuerliche Begünstigung des durch die Einbringung entstandenen Gewinns[3] für den Fall angenommen, dass das eingebrachte Betriebsvermögen bei der aufnehmenden Gesellschaft mit seinem Teilwert angesetzt worden ist und damit sämtliche, d.h. also auch die anteilig beim Einbringenden verbleibenden, stillen Reserven aufgelöst worden sind[4]. Im Falle der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG muss zudem der Einbringungsgewinn auf der Grundlage einer Einbringungsbilanz und einer Eröffnungsbilanz der Gesellschaft ermittelt werden[5]. Für den Streitfall kommt eine Steuerbegünstigung des Einbringungsgewinns nach diesen Rechtsgrundsätzen nicht in Betracht, da nicht das gesamte Betriebsvermögen zum Teilwert in die Gemeinschaftspraxis (GbR) eingebracht und auch keine Einbringungs- und eine Eröffnungsbilanz erstellt worden sind.

Der Große Senat vertritt die Auffassung, dass die entgeltliche Aufnahme eines Sozius in eine freiberufliche Einzelpraxis und dementsprechend auch die Einbringung eines gewerblichen (Einzel-)Unternehmens gegen Ausgleichszahlung in eine Personengesellschaft nicht als eine steuerbegünstigte Veräußerung[6] beurteilt werden kann. Nach dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang der Vorschriften über betriebliche Veräußerungen[7] kann der in der entgeltlichen Aufnahme eines Sozius in eine Einzelpraxis liegende Veräußerungsvorgang zu keinem steuerbegünstigten Veräußerungsgewinn führen, weil nicht der ganze Betrieb oder ein selbstständiger Teilbetrieb veräußert worden ist und ein veräußerungsfähiger Mitunternehmeranteil vor der Einbringung und Gründung der Personengesellschaft nicht bestanden hat. Auch aus der Entstehungsgeschichte des § 16 Abs. 1 EStG lässt sich weder herleiten, dass die Steuerbegünstigung von Veräußerungsgewinnen auch bei der Veräußerung eines unselbstständigen Teils eines Betriebes eingreifen muss, noch dass die Vorschrift hinsichtlich dieses Tatbestandes eine planwidrige Lücke enthält.

Die vorstehende Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Regelungen über die begünstigte Versteuerung betrieblicher Veräußerungsgewinne. Der Zweck der Tarifbegünstigung nach §§16, 34 EStG besteht nach nahezu einhelliger Auffassung darin, "die zusammengeballte Realisierung der während vieler Jahre entstandenen stillen Reserven nicht nach dem progressiven ESt-Tarif zu erfassen"[8]. Soweit bei der entgeltlichen Aufnahme eines Gesellschafters (Sozius) in ein bisheriges Einzelunternehmen gegen eine in das Privatvermögen des Einbringenden geleistete Ausgleichszahlung eine von der Einbringung gemäß § 24 UmwStG getrennt zu beurteilende Ver...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt WohnungsWirtschafts Office Professional. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen