Leitsatz

Für die Berechnung der Entfernungspauschale ist auf die kürzeste Straßenverbindung abzustellen. Eine zumutbare Fährverbindung ist in die Bestimmung der kürzesten Straßenverbindung einzubeziehen. Besonderheiten wie Wartezeiten, technische Schwierigkeiten oder witterungsbedingte Einschränkungen im Fährbetrieb können dazu führen, dass eine andere weitere Fahrstrecke als offensichtlich verkehrsgünstiger der Entfernungspauschale zugrunde zu legen ist.

 

Sachverhalt

Nach dem Gesetzeswortlaut kann für die Entfernungspauschale auch eine andere als die kürzeste Straßenverbindung angesetzt werden, wenn diese offensichtlich verkehrsgünstiger ist und vom Arbeitnehmer regelmäßig benutzt wird (§ 9 Abs. 1 Nr. 4 Satz 4 EStG). Eine Straßenverbindung ist als verkehrsgünstiger als die kürzeste Verbindung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte anzusehen, wenn der Arbeitnehmer eine andere – längere – Straßenverbindung nutzt und die Arbeitsstätte auf diese Weise trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen i.d.R. schneller und pünktlicher erreicht. Das Merkmal "verkehrsgünstig" verlangt keine absolute Fahrzeitverkürzung. Eine längere Umwegstrecke kann auch aus anderen Gründen "offensichtlich verkehrsgünstiger" und damit für die Entfernungspauschale maßgebend sein. Bei einer im Rahmen der kürzesten Straßenverbindung zu benutzten Fährstrecke können lange Wartezeiten und häufig auftretende technische bzw. witterungsbedingte Ausfälle im Fährbetrieb dazu führen, dass eine andere (weitere) Fahrstrecke verkehrsgünstiger ist als die kürzeste Straßenverbindung.

Benutzt der Arbeitnehmer für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte eine andere als die kürzeste Straßenverbindung, obwohl sich eine längere Umwegstrecke nicht als "offensichtlich verkehrsgünstiger" erweist, ist die kürzere Strecke für die Entfernungspauschale maßgebend. Die (fiktiven) Kosten für die Fährverbindung bleiben dabei außer Ansatz, weil sie aufgrund der anders gewählten Fahrstrecke dem Arbeitnehmer gar nicht entstanden sind. Insoweit ergibt sich eine andere Berechnung der Entfernungspauschale gegenüber demjenigen Arbeitnehmer, der sich für die Benutzung der kürzesten Straßenverbindung mit Fährstrecke entscheidet.

Beispiel: Ein Arbeitnehmer mit Wohnort in Konstanz hat seine regelmäßige Arbeitsstätte auf der gegenüber liegenden Seite des Bodensees. Für die Fahrten zum Betrieb benutzt er seinen Pkw und die Fähre von Konstanz nach Meersburg. Die kürzeste Fahrstrecke einschließlich der Fährverbindung von 4,8 km beträgt insgesamt 25,6 km. Die Monatskarte für die Fähre kostet 150 EUR. Bei 230 Arbeitstagen im Jahr errechnen sich folgende Werbungskosten:

230 Arbeitstage × 20 km (= 25,6 km ./. 4,8 km) × 0,30 EUR 1.380 EUR
Fährkosten 12 × 150 EUR = 1.800 EUR
Insgesamt abzugsfähig 2.180 EUR

Die tatsächlichen Fährkosten dürfen neben der Entfernungspauschale angesetzt werden, da der nachgewiesene Kostenabzug für öffentliche Verkehrsmittel zulässig ist (§ 9 Abs. 2 EStG). Dementsprechend dürfen auch Gebühren für die Benutzung eines Straßentunnels oder eine mautpflichtige Straße dürfen ebenfalls neben der Entfernungspauschale berücksichtigt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 19.4.2012, VI R 53/11

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