Leitsatz

1 Der grundlegende Umbau eines Altbaus steht dann der Errichtung eines (neuen) Gebäudes i.S. der Übergangsregelung in § 27 Abs. 2 UStG 1993 gleich,
 
  • wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes geben
  • oder wenn der Altbau durch den Umbau eine wesentliche Funktions- und Zweckveränderung erfährt.
2 Für vermietete Altbauten, die vor dem 11.11.1993 errichtet worden sind, ist der Verzicht auf die Steuerbefreiung von Vermietungsumsätzen nach § 9 Abs. 2 UStG 1993 ohne zeitliche Beschränkung auch dann möglich, wenn der Vermieter den Altbau nach dem 11.11.1993 erworben und Herstellungsaufwendungen getätigt hat, die zu sonstigen nachträglichen Herstellungskosten geführt haben.
 

Sachverhalt

Streitig ist, ob durch die umfassende Sanierung eines Altbaus ein "anderes" neues Wirtschaftsgut entstanden ist, für welches der Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze nach § 9 Abs. 2 UStG 1993 ausgeschlossen ist. Die Klägerin erwarb 1994 ein ehemaliges Eisenbahnverwaltungsgebäude für 595000 DM. Sie ließ es durch einen Generalunternehmer ab Ende 1994 schlüsselfertig zu einem Büro- und Schulungszentrum sowie mehreren Wohnungen umbauen (Werklohn 5277500 DM). Nach Fertigstellung der Umbauarbeiten vermietete die Klägerin das Gebäude an einen Arzt, an eine GmbH, die Schulungen durchführte, und an den Hausmeister. Arzt und GmbH hatten steuerfreie Umsätze.

Für die Streitjahre 1994 bis 1996 machte die Klägerin Vorsteuerbeträge in Höhe von insgesamt 633470,65 DM geltend. Dabei verzichtete sie im Wesentlichen auf die Steuerfreiheit der Mietumsätze an die GmbH und den Arzt.

Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug mit der Begründung, § 9 Abs. 2 UStG 1993 in der ab dem 1.1.1994 geltenden Fassung sei anzuwenden, da die Klägerin mit der Baumaßnahme erst nach dem in der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 UStG genannten Zeitpunkt (10.11.1993) begonnen habe. Demzufolge sei ein Verzicht auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze an die GmbH und den Arzt nicht möglich, da diese Umsätze vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen seien. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Der BFH gab der Revision der Klägerin im Wesentlichen statt. Ihr Vorsteuerabzug ist nicht nach § 15 Abs. 2 UStG ausgeschlossen, weil sie trotz Erwerb und Umbau des Gebäudes nach dem 10.11.1993 auf die Steuerfreiheit der Vermietungsumsätze gem. § 9 Abs. 2 UStG i.d.F. vor 1994 verzichten konnte. Denn die Klägerin hatte mit dem Umbau des Altbaus nach dem Stichtag[1] nicht mit der Errichtung eines Gebäudes begonnen.

Die Aufwendungen waren keine Herstellungskosten[2], weil die Neuteile dem Gesamtgebäude bautechnisch nicht das Gepräge gaben und weil der Altbau (Eisenbahnverwaltungsgebäude) durch den Umbau zum Arzt- und Schulungszentrum keine wesentliche Funktions- und Zweckveränderung erfuhr.

 

Praxishinweis

Die Entscheidung zeigt vielleicht überraschend, dass die Begrenzung des Verzichts auf die Steuerfreiheit von Grundstücksvermietung zur Missbrauchsvermeidung aus dem Jahr 1993 für Gebäude, die ab 11.11.1993 errichtet wurden, für nach dem Stichtag erworbene und mit erheblichen Kosten renovierte Altbauten nur selten greifen dürfte. Denn nach der neueren Rechtsprechung zur Abgrenzung von Herstellungs- und Erhaltungsaufwand, die an § 255 Abs. 2 HGB orientiert ist, liegen meist bloße Erhaltungsaufwendungen vor.

Eine andere Frage ist es, ob die betroffenen Mieter, die nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind, die Option zur Steuerpflicht ihrer Mieten – mit Umsatzsteuer-"Aufschlag" – hinnehmen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 05.06.2003, V R 32/02

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