Leitsätze (amtlich)

  1. Die Berufsausbildung eines Kindes endet spätestens mit der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses.
  2. Vor der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses ist die Berufsausbildung jedoch bereits dann beendet, wenn das Kind nach Erbringung aller Prüfungsleistungen eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt.
 

Sachverhalt

Der im Juli 1970 geborene Sohn (S) des Klägers absolvierte im Anschluss an seinen Grundwehrdienst ein Studium der Betriebswirtschaft. Am 30.4.1998 reichte S seine Diplomarbeit beim Prüfungsamt ein und erbrachte damit die letzte Prüfungsleistung. Am 9.7.1998 teilte ihm der Prüfungsausschuss mittels einer vorläufigen Bescheinigung das Prüfungsergebnis mit. Das Diplom erhielt S im Dezember 1998 unter dem Datum "30.4.1998" verliehen. S war ab Februar 1998 zunächst im Rahmen einer Teilzeitbeschäftigung mit 33 Stunden im Monat bei einer Sparkasse mit monatlichen Einnahmen von 673 DM tätig und wurde dort ab 1.5.1998 als vollzeitbeschäftigter Angestellter mit einer monatlichen Bruttovergütung von 3 415 DM weiterbeschäftigt. Die beklagte Familienkasse ging von einem Ausbildungszeitraum von Januar bis einschließlich Juli 1998 aus und prognostizierte hierauf entfallende Einkünfte und Bezüge des S von 14 288 DM. Wegen des Überschreitens des anteiligen Jahresgrenzbetrags gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG von 7 210 DM (7 x 1 030 DM) hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung rückwirkend ab 1.1.1998 auf. Mit der dagegen erhobenen Klage begehrte der Kläger, für die Zeit vom 1.1. bis 30.4.1998 Kindergeld zu gewähren. Das FG wies die Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Zu Unrecht hat das FG entschieden, die Berufsausbildung des S habe bis zum 9.7.1998 mit der Folge angedauert, dass die Einkünfte und Bezüge für den Zeitraum Januar bis Juli 1998 den anteiligen Jahresgrenzbetrag überstiegen.

Ein Kind befindet sich in Berufsausbildung, solange es sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber noch ernstlich darauf vorbereitet[1]. Zur Hochschulausbildung gehört auch die Ablegung des Examens. Ein Universitätsstudium ist regelmäßig erst in dem Zeitpunkt abgeschlossen, in dem eine nach dem einschlägigen Prüfungsrecht zur Feststellung des Studienerfolges vorgesehene Prüfungsentscheidung ergangen ist. Dies gilt - in typisierender Betrachtungsweise - auch für den Begriff der Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG. Der Eintritt in einen der akademischen Ausbildung entsprechenden Beruf ist im Regelfall erst dann möglich, wenn die zur Feststellung des Studienerfolgs vorgesehene Prüfungsentscheidung vorliegt.

Nimmt das Kind nach Ablegung der letzten Prüfungsleistung, aber noch vor Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses, eine Vollzeiterwerbstätigkeit auf, endet bereits in diesem Zeitpunkt die Berufsausbildung. Das Kind bereitet sich nicht mehr ernstlich auf sein Berufsziel vor. Tritt das Kind - wie im Streitfall - bereits in den aufgrund der Ausbildung angestrebten Beruf ein, hat es zudem sein Berufsziel bereits erreicht. Diese Auslegung der "Ausbildung für einen Beruf" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG folgt aus der Zielsetzung des Kindergeldrechts, nämlich die kindbedingte Minderung der steuerlichen Leistungsfähigkeit der Eltern während der Ausbildung des Kindes zu berücksichtigen. Die Belastung der Eltern durch den Unterhaltsbedarf des Kindes endet regelmäßig in dem Zeitpunkt, in dem das Kind im Anschluss an die Ausbildung eine Vollzeiterwerbstätigkeit aufnimmt, unabhängig davon, ob die Aufnahme der Tätigkeit vor oder nach der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses erfolgt.

Da das FG - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen zu den Einkünften und Bezügen des S für den Zeitraum von Januar bis einschließlich April 1998 getroffen hat, ist die Sache an das FG zurückzuverweisen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 24.5.2000 - VI R 143/99

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