1 Politischer Hintergrund

Umwelt- und Klimaschutz sowie möglichst geringer Energie- und Ressourceneinsatz sind für alle Wirtschaftsprozesse entscheidend, wenn der gegenwärtige gesellschaftliche Wohlstand auch zukünftig erhalten bleiben soll. Auch wenn der begonnene Klimawandel wahrscheinlich nicht mehr aufgehalten werden kann, so besteht doch Hoffnung, ihn zu verzögern oder abzumildern. Deshalb ist jede nicht in die Luft entlassene Tonne CO2 bzw. Treibhausgas (THG) sinnvoll. Und da fossile Energieträger endlich sind, ist jeder nicht verbrannte Kubikmeter Erdgas oder Liter Öl, jede nicht verbrannte Tonne Kohle doppelt sinnvoll.

Rein wissenschaftlich gesehen besteht zur Vermeidung der unangenehmsten Folgen des Klimawandels, die nicht nur eine Destabilisierung von Ökosystemen, sondern auch von Gesellschaften weltweit zur Folge hätten, ein sogenanntes "Restbudget" an emittierbaren THG-Emissionen. Je schneller dies aufgebraucht ist und je mehr zusätzliche Emissionen in die Atmosphäre gelangen, desto schneller und stärker wird die Erwärmung fortschreiten.[1]

Politisch wurden aus den wissenschaftlichen Ergebnissen Minderungsziele abgeleitet. Mit dem europäischen Green Deal ist zu erwarten, dass innerhalb der EU – und damit für jeden Mitgliedsstaat – das Ziel von Netto-Null THG-Emissionen für 2050 vorgegeben wird. "Netto-Null" heißt dabei, dass die restlichen noch vorhandenen THG-Emissionen eingebunden werden müssen – z. B. durch natürliche Bindung in Böden und Wäldern, Abscheidung und Speicherung (CCS) oder stoffliche Nutzung. Für diese restlichen CO2-Emissionen wird ein Anteil von 5 % angenommen.[2] Gegenüber 1990 müssen somit 95 % der CO2-Emissionen gemindert werden. Bedeutsam ist dabei, dass diese 5 % Restemissionen in den Szenarien der Industrie und dem Verkehr zugeordnet werden. Gebäude und Energiewirtschaft werden in den Szenarien derzeit mit Null Treibhausgasemissionen in 2050 angenommen, siehe Bild 1.

Bild 1: Verlaufskurve der Treibhausgasemissionen zur Einhaltung des 1,5 °C-Zieles in Europa. Quelle: COM (2018) 773 final/COM (2019) 559 final.

 

Rein praktisch heißt ein Netto-Null-Pfad für alle Wohngebäude, dass 2050

  • von der Energiewirtschaft Strom und Fernwärme CO2-frei geliefert werden muss,
  • dass auch alle anderen Versorgungslösungen für Wärme und Warmwasser CO2-frei sein müssen und
  • dass der Wärmebedarf der Gebäude soweit abgesenkt ist, dass erneuerbare Energie effizient genutzt werden kann, i. a. durch ein Niedertemperatursystem (2050ready).

Die Wohnungsunternehmen stehen vor der riesigen Aufgabe, für ihre Gebäude die Voraussetzungen für eine Versorgung mit erneuerbarer Energie schaffen zu müssen, v. a. die Möglichkeit der Beheizung mit einem sogenanntem Niedertemperaturniveau (max. 55 bis 60 Grad Vorlauftemperatur an den kältesten Tagen). Dazu müssen nicht immer Flächenheizungen eingebaut werden, das geht oft auch mit Radiatoren (z. B. wenn der Wärmebedarf eines Gebäudes bereits verringert wurde, die Radiatoren aber aus dem Ursprungszustand stammen).

Von heute bis 2050 wird es einen politischen Minderungspfad für THG geben.

Bislang war durch die EU ein Zwischenziel von minus 40 % für 2030 gegenüber 1990 gegeben. Mit dem deutschen Klimaschutzgesetz ist dementsprechend bereits jetzt ein linearer Minderungspfad von 2020 bis 2030 auch für den Gebäudesektor gesetzlich verbindlich. Das Klimaschutzgesetz wendet sich an die Politik, die diesen Pfad sicherstellen muss.

Im Oktober 2020 hat die Kommission angekündigt, das Zwischenziel 2030 auf minus 55 % gegenüber 1990 zu erhöhen. Wenn dies auf EU-Ebene gesetzlich umgesetzt wird, wird es im Rahmen der Lastenteilung auch Auswirkungen auf das deutsche Ziel haben (möglicherweise minus 70 % statt derzeit minus 55 %) und am Ende auch auf den Minderungspfad im deutschen Gebäudesektor.

[1] In modellierten Pfaden ohne Überschreitung von 1,5 °C globaler Erwärmung nehmen die globalen anthropogenen Netto-CO2-Emissionen bis 2030 um etwa 45 % gegenüber 2010 ab und erreichen um das Jahr 2050 netto Null. Bei einer Begrenzung der globalen Erwärmung auf unter 2 °C projizieren die meisten Pfade eine Abnahme der CO2-Emissionen bis 2030 um etwa 25 % und das Erreichen von netto Null um das Jahr 2070. Quelle: IPCC-Sonderbericht über die Folgen einer globalen Erwärmung um 1,5 °C gegenüber vorindustriellem Niveau. 2018.
[2] Die Nicht-CO2-Emissionen werden extra betrachtet (z. B. Methan in der Landwirtschaft).

2 Wohnungswirtschaftlicher Hintergrund

Dieser politische Minderungspfad wird zwangsläufig auch zu einem wohnungswirtschaftlichen Minderungspfad, da gesetzliche Regelungen und die CO2-Bepreisung fossiler Energien die Wohnungswirtschaft und ihre Mieter betreffen werden.

CO2-Minderung in den bewirtschafteten Beständen wird eine immense investive Aufgabe, deren Refinanzierung allein über die Mieten nicht denkbar ist. Die wohnungswirtschaftlichen Forderungen nach einem Paradigmenwechsel, drastischen Vereinfachungen für die lokale PV-Nutzung und einer entsprechend hohen und zuverlässigen Förderung sind in der GdW-Position "Soziale und ökonomisch verträgliche Umset...

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