2 Frauen – 2 Testamente

Hat der nach Scheidung wiederverheiratete Ehemann in einem während seiner ersten Ehe errichteten Testament seine erste Ehefrau als Erbin eingesetzt, kann seine im Testament nicht berücksichtigte zweite Ehefrau das Testament nach dem Tod ihres Ehemanns regelmäßig anfechten. Dies hat das OLG Hamm entschieden.

Kein Erbschein für 1. Ehefrau

Der Erblasser und seine erste Ehefrau errichteten im Jahr 2003 ein gemeinschaftliches Testament, in dem sie sich gegenseitig zu Erben einsetzten und eine gemeinschaftliche Schlusserbenverfügung vornahmen. Später setzten sie auf die Rückseite ihres Testaments folgenden von beiden unterschriebenen Zusatz: "Unsere vorstehenden umseitigen letztwilligen Verfügungen sollen auch für den Fall der Ehescheidung gelten". Nach der späteren Ehescheidung heiratete der Erblasser erneut. Mit seiner zweiten Ehefrau errichtete er im Jahr 2012 ein gemeinschaftliches Testament. Darin widerrief er alle früheren letztwilligen Verfügungen und setzte seiner zweiten Frau ein Vermächtnis in Gestalt eines Wohnrechts an einer in seinem Eigentum stehenden Eigentumswohnung aus. Beide verfügten eine übereinstimmende Schlusserbeneinsetzung. Nachdem der Erblasser verstorben war, beantragte die erste Ehefrau den Erlass eines Erbscheins zu ihren Gunsten. Die zweite Ehefrau focht das Testament des Erblassers mit seiner ersten Ehefrau an, weil sie als Pflichtteilsberechtigte übergangen worden sei.

Widerruf nicht wirksam

Der Erbscheinantrag der ersten Ehefrau ist vor dem OLG Hamm erfolglos geblieben. Die erste Ehefrau sei nicht Erbin geworden, weil die zweite Ehefrau das Testament aus dem Jahr 2003 wirksam angefochten habe. Das Testament von 2003 sei zwar aufgrund des Nachtrags der damaligen Eheleute nicht mit der Scheidung unwirksam geworden. Auch habe es der Erblasser mit dem 2012 errichteten, neuen Testament nicht wirksam widerrufen, weil der Widerruf gegenüber der ersten Ehefrau zu erklären gewesen wäre und der Erblasser es zu seinen Lebzeiten versäumt habe, seiner ersten Ehefrau den Widerruf zu übermitteln.

Wirksame Anfechtung des Testaments

Die zweite Ehefrau habe das erste Testament aber wirksam angefochten. Sie habe die Anfechtung innerhalb der mit dem Tod des Erblassers beginnenden Jahresfrist erklärt. Die Anfechtung sei sachlich begründet, weil die zweite Ehefrau zur Zeit des Erbfalls eine Pflichtteilsberechtigte sei, die das Testament aus dem Jahr 2003 nicht berücksichtige. Das berechtige zur Testamentsanfechtung, weil das Gesetz vermute, dass der Erblasser den Pflichtteilsberechtigten bei Kenntnis der späteren Sachlage nicht übergangen hätte.

Fazit: Die Bestimmung von Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament, dass ihre Verfügungen auch für den Fall der Ehescheidung gelten sollen, lässt nicht den Schluss darauf zu, dass die Verfügung auch für den Fall der Wiederverheiratung eines Ehegatten fortbestehen sollte.

(OLG Hamm, Beschluss v. 28.10.2014, 15 W 14/14, NJW-RR 2015 S. 524; ferner Hachenberg, NZFam 2015, S. 190)

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