Leitsatz

  1. Ob ein nach § 3 Nr. 39 EStG steuerfreies Arbeitsentgelt aus einer geringfügigen Beschäftigung erzielt wird, beurteilt sich ausschließlich nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben. Die Geringfügigkeitsgrenze ist auch unter Einbeziehung tariflich geschuldeter, aber tatsächlich nicht ausgezahlter Löhne zu bestimmen (sozialversicherungsrechtliches "Entstehungsprinzip").
  2. Der Einkommensteuer unterliegt auch bei einer geringfügigen Beschäftigung nur der tatsächlich zugeflossene Arbeitslohn ("Zuflussprinzip").
 

Sachverhalt

Ein Arbeitgeber, der im Zeitraum April 1999 bis März 2001 Aushilfskräfte für 630 DM monatlich beschäftigte, nahm keinen Lohnsteuerabzug vor, da er von der Steuerbefreiung des § 3 Nr. 39 EStG bei geringfügigem Beschäftigungsverhältnis ausging. Dies verneinte nach einer Lohnsteuer-Außenprüfung das Finanzamt, weil den Aushilfen neben den 630 DM tarifvertraglich noch ein Urlaubsgeld zugestanden worden war, das allerdings nicht ausbezahlt worden ist. Deshalb erging ein Nachforderungsbescheid, den das FG aufgehoben hat. Auf die Revision des Finanzamts wies der BFH die Klage ab.

 

Entscheidung

Wie sich aus der Verweisung in § 3 Nr. 39 EStG auf § 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV und im Übrigen auch aus den Gesetzesmaterialien ergibt, bestimmt sich die Geringfügigkeitsgrenze allein nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben. Nach diesen zählen zum maßgebenden Arbeitsentgelt auch unregelmäßige Sonderzahlungen, wie Urlaubsgeld oder Weihnachtsgeld, soweit sie bei vorausschauender Betrachtung mit hinreichender Sicherheit innerhalb eines Beschäftigungszeitraums von einem Jahr zu erwarten sind. Darüber hinaus kommt es nach dem für das Sozialversicherungsrecht geltenden "Entstehungsprinzip" nicht darauf an, ob die Sonderzahlungen tatsächlich erfolgen, sondern nur ob sie rechtlich zustehen. Desweiteren ist die Sonderzahlung – wie hier das Urlaubsgeld – nach der Rechtsprechung des BSG nicht allein dem Zuflussmonat zuzurechnen, sondern auf die Zeiträume zu verteilen, in denen sie verdient wurde. Damit wurde die Geringfügigkeitsgrenze von 630 DM monatlich in allen Monaten überschritten, weil jeweils 1/12 des Urlaubsgeldanspruchs hinzuzurechnen war.

Demnach griff die Steuerbefreiung nicht ein. Allerdings unterlag dem Lohnsteuerabzug und damit der Nachforderung nur der Betrag, der sich aus dem tatsächlich zugeflossenen Lohn von 630 DM monatlich ergab, da für die Überschusseinkünfte schon immer das Zufluss- und nicht das Entstehungsprinzip maßgebend ist. Da das Finanzamt ebenfalls nur von dem tatsächlich zugeflossenen Lohn ausging, konnte der BFH durchentscheiden.

 

Hinweis

Obwohl die Steuerbefreiung entfallen ist, hat die Entscheidung noch Bedeutung, da die Pauschalierungsbefugnis des § 40a Abs. 2 EStG für geringfügige Beschäftigung ebenfalls nach sozialversicherungsrechtlichen Maßstäben zu beurteilen ist. Allerdings wurde – worauf der BFH hinweist – das Entstehungsprinzip des Sozialversicherungsrechts für Sonderzahlungen durch die Neufassung des § 22 Abs. 1 SGB IV ab 2003 aufgegeben.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 29.5.2008, VI R 57/05.

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