Leitsatz

  1. Beim sog. echten Factoring, bei dem der Factor Forderungen eines Unternehmers (des sog. Anschlusskunden) ankauft, ohne gegen diesen bei Ausfall von Schuldnern ein Rückgriffsrecht zu haben, liegen umsatzsteuerrechtlich keine Umsätze des Anschlusskunden an den Factor, sondern Umsätze des Factors an den Anschlusskunden vor (Änderung der Rechtsprechung).
  2. Kauft ein Factor Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos auf und berechnet er seinem Kunden dafür Gebühren, liegt eine "Einziehung von Forderungen" i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG 1991 vor. Die Einziehung der Forderungen ist steuerpflichtig und führt nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs.
 

Problematik

Eine Factoring KG (die Klägerin) gehörte zusammen mit der M-GmbH zu einer Firmengruppe. Die M-GmbH importierte im Streitjahr 1991 und den Folgejahren Kfz und vertrieb sie über ein eigenes Händlernetz auf dem deutschen Markt. Die Factoring KG übernahm für sie das Factoring- und Finanzierungsgeschäft. Mit der M-GmbH vereinbarte sie, deren Forderungen gegenüber den Händlern aus Fahrzeuglieferungen anzukaufen und die darüber hinausgehenden Forderungen mit Rückgriffsrecht gegen die M-GmbH zu verwalten. Für die angekauften Forderungen übernahm sie das Ausfallrisiko ohne Rückgriffsrecht gegen die M-GmbH (echtes Factoring). Vereinbarungsgemäß erhielt sie eine Factoringgebühr von 2 % und eine Delkrederegebühr von 1 % der Nennbeträge der übernommenen Forderungen. Die Factoring KG vertrat die Auffassung, sie erbringe auch mit dem echten Factoring steuerpflichtige Leistungen und stellte der M-GmbH diese Leistungen mit den entsprechenden Gebühren und Zinsen in Rechnung. Dementsprechend machte sie auch den Vorsteuerabzug in Höhe von 1.028.100 DM für die damit zusammenhängenden Eingangsumsätze geltend. Das Finanzamt versagte der Factoring KG insoweit den Vorsteuerabzug mit der Begründung, dass sie insoweit nicht unternehmerisch tätig gewesen sei.

Die Klage hatte Erfolg. Im anschließenden, vom Finanzamt betriebenen Revisionsverfahren legte der BFH mit Beschluss v. 17.5.2001[1] dem EuGH Fragen zur Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d der 6. EG-Richtlinie vor. Das vorliegende BFH-Urteil erging nunmehr aufgrund des EuGH-Urteils in dieser Sache v. 26.6.2003[2].

 

Entscheidung des BFH

Beim Factoring-Geschäft lässt sich der Factor - regelmäßig noch nicht fällige - Forderungen des sog. Anschlusskunden (im Streitfall: die Kaufpreisforderungen der M-GmbH aus dem Vertrieb der Autos) abtreten und bezahlt dafür sofort. Echtes Factoring liegt vor, wenn der Factor auch das Risiko des Forderungsausfalls übernimmt, wie hier die Factoring KG. Dagegen werden beim unechten Factoring die Forderungen nur vorschussweise vergütet; wenn sich ihre Uneinbringlichkeit herausstellt, muss der Anschlusskunde die Vergütung zurückzahlen.

Auch im Rahmen des sog. echten Factoring war die Factoring KG Unternehmerin i.S. des § 2 UStG 1991, da sie Umsätze gegen Entgelt ausführte. Der BFH gab seine frühere Rechtsprechung auf, derzufolge beim echten Factoring nur ein Umsatz des Kunden an den Factor - durch Abtretung der Forderung gegen Entgelt - vorlag (vgl. Leitsatz 1). Die (jetzt angenommene) Leistung des Factors an den Anschlusskunden besteht - nach der Formulierung des EuGH - im Wesentlichen darin, "dass er ihn von der Einziehung der Forderung und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet."

Dementsprechend war die Klägerin grundsätzlich zum Vorsteuerabzug aus den Leistungsbezügen, die sie für das Factoring verwendete, berechtigt. Nach der Entscheidung des EuGH im vorliegenden Verfahren ist davon auszugehen, dass eine - gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG 1991 von der Befreiung ausgenommene - "Einziehung von Forderungen" vorliegt, wenn ein Factor Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinem Kunden dafür Gebühren berechnet. Die Einziehung der Forderungen ist steuerpflichtig und führt nicht zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach § 15 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1991.

 

Konsequenzen für die Praxis

Zur Unternehmereigenschaft des "echten Factors" ist die Entscheidung klar. Hingegen stellt sie ein Problem in den Raum, soweit es darum geht, ob der Anschlusskunde - wie nach bisheriger Praxis[3] - mit seinem Forderungsverkauf an den Factor eine "Leistung im Geschäft mit Forderungen" ausführt, die gem. § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei, aber optierbar ist.

Nimmt man nämlich den Leitsatz 1 wörtlich, dass "umsatzsteuerrechtlich keine Umsätze des Anschlusskunden an den Factor, sondern Umsätze des Factors an den Anschlusskunden" vorliegen, so geht die Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung weiter, als zu entscheiden war. Denn daraus kann die Beurteilung entnommen werden, dass das ganze (echte) Factoringgeschäft nur noch als Leistung des Factors an den Anschlusskunden gilt, die Leistung des Kunden mit dem Forderungsverkauf aber "wirtschaftlich unbeachtlich" ist. Der Vorteil dieser Betrachtung wäre, dass die Umsätze des Anschlusskunden (hier des Autohändlers) nicht noch zusätzlich durch die Forderungsverkäufe a...

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