Leitsatz

Das Verbot der Rückstellungen für drohende Verluste (§ 5 Abs. 4a EStG) begrenzt eine mögliche Teilwertabschreibung nicht. Die Teilwertabschreibung auf teilfertige Bauten auf fremdem Grund und Boden ist nicht nur hinsichtlich des dem jeweiligen Stand der Fertigstellung entsprechenden, auf die Bauten entfallenden Anteils der vereinbarten Vergütung, sondern hinsichtlich des gesamten Verlusts aus dem noch nicht abgewickelten Bauauftrag zulässig.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine KG, führte Baumaßnahmen auf Basis von Werklieferungs- und Werkleistungsverträgen aus. In ihren Bilanzen für die Streitjahre 1997 und 1998 wies sie Rückstellungen für drohende Verluste aus unfertigen Bauaufträgen aus. Das Finanzamt berücksichtigte Verluste dagegen nur im Rahmen einer Teilwertabschreibung nach den Grundsätzen über die verlustfreie Bewertung und zwar bezogen auf die am Bilanzstichtag tatsächlich ausgeführten teilfertigen Arbeiten. Die auf die Herstellungskosten der Folgejahre entfallenden Teilwertabschreibungen wurden nicht anerkannt. Dies führte zu einer gewinnwirksamen Teilauflösung der Rückstellungen. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wurde abgewiesen.

 

Entscheidung

Da das FG zu Unrecht angenommen hat, die KG könne nur Teilwertabschreibungen auf teilfertige Bauten geltend machen, hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen.

Bei der Bilanzierung "schwebender Geschäfte", um die es hier geht, ist die Bildung von Rückstellungen für drohende Verluste für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.1996 enden, verboten[1]. Dieses Verbot hat jedoch nicht zur Folge, dass eine Teilwertabschreibung auf teilfertige Bauten als Wirtschaftgüter des Umlaufvermögens ausgeschlossen ist. Der BFH hat diese Frage noch nicht entschieden, ist bisher aber davon ausgegangen, dass die Bewertung von Vorräten nichts mit der Bilanzierung schwebender Geschäfte zu tun hat, die diese Vorräte betreffen. Eine Teilwertabschreibung ist daher selbst dann möglich, wenn Vorräte verkauft sind, aber der Kaufvertrag noch von keiner Seite erfüllt ist[2]. Das gilt auch für teilfertige Arbeiten aus einem Werkvertrag und für die Ermittlung des Teilwerts nach der verlustfreien Bewertung[3]. In diesem Fall hat die Teilwertabschreibung Vorrang vor der Verlustrückstellung[4]. Denn das Verbot der Verlustrückstellung erfasst nur den Teil des Verlusts, der durch die Teilwertabschreibung nicht verbraucht ist.

Wirtschaftgüter des Umlaufvermögens sind mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu bewerten; u.U. kann auch der niedrigere Teilwert angesetzt werden. Der Teilwert hängt jedoch nicht nur von den Wiederbeschaffungskosten, sondern auch vom voraussichtlichen Veräußerungserlös ab. Deckt dieser nicht mehr die Selbstkosten und einen durchschnittlichen Unternehmergewinn, sind die Anschaffungskosten um den Fehlbetrag zu mindern. Diese retrograde Bewertungsmethode entspricht der ständigen Rechtsprechung[5] und ist auch bei teilfertigen Bauten im Rahmen eines schwebenden Geschäfts anzuwenden, gleich ob es sich um teilfertige Bauten auf fremdem oder auf eigenem Grund und Boden handelt. Die teilfertigen Bauten sind nicht lediglich als Bilanzierungshilfe mit den angefallenen Aufwendungen anzusetzen; vielmehr stellen sie ein Wirtschaftsgut dar und sind entsprechend zu bewerten. Der BFH lässt insoweit offen, ob es sich bei den unter "unfertige Erzeugnisse bzw. Leistungen" ausgewiesenen teilfertigen Bauten um eine Sache oder um eine Forderung handelt. Es spricht zwar viel dafür, dass insoweit nichts anderes gilt als für fertige Bauten auf fremdem Grund und Boden[6]; in jedem Fall führt die Bewertung nach der retrograden Methode zur Berücksichtigung des gesamten aus dem Bauauftrag drohenden Verlusts, begrenzt auf die Höhe der aktivierten Herstellungskosten. Das Verbot der Drohverlustrückstellung hat daran nichts geändert.

Die Ausführungen des BFH beziehen sich nur auf den Fall, dass die KG verpflichtet war, die Bauaufträge in Kenntnis ihrer Verlustträchtigkeit zu Ende zu führen, nicht aber darauf, dass die Verpflichtung vor Fertigstellung der Bauten entfallen ist und diese anderweitig sinnvoll verwertet werden können. Ebenso gelten sie nicht, falls teilfertige Bauten als selbstständige Teilleistungen abgenommen werden und zu einer Teilgewinnrealisierung führen bzw. für Aufträge, die bewusst verlustbringend kalkuliert werden[7].

 

Praxishinweis

Mit der Rezensionsentscheidung hat der BFH die Auffassung der Finanzverwaltung[8] zur Zulässigkeit von Teilwertabschreibungen auf teilfertige Bauten auf fremdem Grund und Boden verworfen. Dass den Herstellungskosten für teilfertige Bauten am Bilanzstichtag nur der auf die Bauten entfallende Anteil an der vereinbarten Vergütung gegenüberzustellen ist, lehnt der BFH ausdrücklich ab. Nach der im Aussetzungsverfahren getroffenen Entscheidung[9] war das nicht anders zu erwarten. Nun steht fest, dass das Verbot der Drohverlustrückstellung eine Teilwertabschreibung nicht begrenzt. Dabei ist die Teilwertabschreibung auf teilf...

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