Leitsatz

Die Dreitagesfrist zwischen der Aufgabe eines Verwaltungsakts zur Post und seiner vermuteten Bekanntgabe (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 AO) verlängert sich, wenn das Fristende auf einen Sonntag, gesetzlichen Feiertag oder Sonnabend fällt, bis zum nächstfolgenden Werktag.

 

Sachverhalt

Das Finanzamt wies den Einspruch des Steuerpflichtigen als unbegründet zurück und gab die Einspruchsentscheidung am 18.12.2001, einem Donnerstag, zur Post. Die dagegen erhobene Klage ging beim FG am 22.1.2002 ein. Auf den gerichtlichen Hinweis, die Klagefrist habe am 21.1.2002 geendet, behauptete der Steuerpflichtige, die Einspruchsentscheidung sei seinem Bevollmächtigten erst am 22.12.2001 (Montag) zugegangen. Am Freitag sei sie noch nicht in dessen Postfach gelegt worden. Das FG wies die Klage als unzulässig ab: Der Vortrag des Steuerpflichtigen schließe nicht aus, dass das Schriftstück am Sonnabend, dem 20.12.2001, in das Postfach gelegt worden sei. Dann wäre der Einspruch verspätet eingelegt gewesen.

 

Entscheidung

Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Im Streitfall fiel der dritte Tag auf einen Sonnabend. Daher stellte sich die Frage: Handelt es sich bei dem Dreitageszeitraum um eine Frist oder nicht? Ist er eine Frist, dann endet dieser Zeitraum am Montag, weil das Ende dieser Frist auf einen Sonnabend fällt. Das ergibt sich aus dem nur für Fristen geltenden § 108 Abs. 3 AO. Danach endet die Frist, wenn das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder einen Sonnabend fällt, mit dem Ablauf des nächstfolgenden Werktages. Ob § 108 Abs. 3 AO anwendbar ist und der Dreitageszeitraum eine Frist bildet, war in Rechtsprechung und Schrifttum heftig umstritten. Die Meinungsvielfalt reichte von der Annahme einer Frist über eine "uneigentliche" Frist bis hin zu einer bloßen Vermutung. Jetzt ist der Streit entschieden: Nach dem Abschluss des Vorlageverfahrens und der Zustimmung aller anderen Senate des BFH sowie des BMF steht fest: Der Dreitageszeitraum ist eine Frist und § 108 Abs. 3 AO anzuwenden. Im Streitfall bedeutet das: Der Einspruch war am Montag fristgemäß eingelegt worden.

 

Praxishinweis

Mit der Anwendung des § 108 Abs. 3 AO auf den Dreitageszeitraum des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO vermeidet man Probleme, die bisher häufig die Gerichte beschäftigt haben. Die Behörden brauchen sich ebenso wie die steuerberatenden Berufe nicht mehr mit der Frage beschäftigen, auf welche Weise die Zugangsvermutung für Sonnabende, Sonn- und Feiertage erschüttert werden kann. Das ist ein Beitrag zur Vereinfachung des Rechts.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 14.10.2003, IX R 68/98

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