Rz. 374

Der Begriff "Auseinandersetzungsguthaben" wird im Genossenschaftsgesetz in § 73 Abs. 4 genannt. Es handelt sich hierbei um das "Geschäftsguthaben", das dem Mitglied nach seinem Ausscheiden aus der eG durch Beendigung der Mitgliedschaft auszuzahlen ist (§ 73 Abs. 2 Satz 2 GenG; auch im Fall der Gläubigerkündigung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 GenG spricht das Gesetz vom "Guthaben", das dem Mitglied "bei der Auseinandersetzung mit der eG" zusteht). Während das Geschäftsguthaben in der Zeit des Bestehens der Mitgliedschaft nicht ausgezahlt werden darf (§§ 22 Abs. 4 Satz 1, 34 Abs. 3 Nr. 1 GenG), verhält sich dies ab dem Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft anders, da das "Geschäftsguthaben" dann im Lichte der anstehenden Auseinandersetzung zu sehen ist. Nach Beendigung der Mitgliedschaft erfolgt eine Auseinandersetzung der eG mit dem ausgeschiedenen Mitglied (§ 73 Abs. 1 Satz 1 GenG).

 

Rz. 375

Diese Auseinandersetzung bestimmt sich nach der Vermögenslage der Genossenschaft und der Zahl ihrer Mitglieder zum Zeitpunkt der Beendigung der Mitgliedschaft (§ 73 Abs. 1 Satz 2 GenG). Die Auseinandersetzung erfolgt unter Zugrundelegung der Bilanz (§ 72 Abs. 2 Satz 1 GenG). Die Auseinandersetzung wird daher unter Umständen durch einen in der Bilanz ausgewiesenen Verlust beeinflusst.[1] Erst das nach etwaigen Verlustabschreibungen festgestellte Geschäftsguthaben des Ausgeschiedenen ergibt dessen Auseinandersetzungsguthaben.[2] Gemäß § 48 GenG entscheidet die Generalversammlung jedoch darüber, ob und inwieweit ein Verlust von den Geschäftsguthaben abgeschrieben (§ 19 Abs. 1 GenG), durch Heranziehung von Rücklagen gedeckt oder auf neue Rechnung vorgetragen wird.[3] Idealerweise wird man im Fall einer Verlustabschreibung von einer zumindest "im Ergebnis" gleichmäßigen "Belastung" aller Geschäftsguthaben, also derjenigen der in der eG verbleibenden, wie derjenigen der aus der eG ausscheidenden Mitglieder, auszugehen haben[4]. Diese "Belastung" kann sich darin zeigen, dass die Auseinandersetzungsguthaben anteilig um die aufgelaufenen Verluste gekürzt werden, ungeachtet des Vorliegens einer förmlichen Abschreibung der verbleibenden Geschäftsguthaben.[5] Denn die "Schonung" der Geschäftsguthaben der verbleibenden Mitglieder durch den Verlustvortrag sei lediglich eine "formale" Schonung, da sie mit dem Verlustvortrag belastet bleiben und dieser einer Gewinnausschüttung im selben Umfang entgegensteht, wie eine Verlustabschreibung von den Geschäftsguthaben.[6] Der BGH hatte vor der Entscheidung des OLG Dresden entschieden, dass eine Regelung in der Satzung einer eG, wonach ein in der Bilanz ausgewiesener Verlust beim Auseinandersetzungsguthaben ausscheidender Mitglieder anteilig zu berücksichtigen ist, wirksam sei.[7]

 

Rz. 376

Das Auseinandersetzungsguthaben ist dem ausgeschiedenen Mitglied binnen sechs Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft auszuzahlen. Eine Verzögerung der Auszahlung über den Fälligkeitstermin hinaus führt grundsätzlich zur Pflicht der eG, das Auseinandersetzungsguthaben zu verzinsen. Trifft die Satzung hierzu keine Regelung, richtet sich die Verzinsung nach dem gesetzlichen Verzugszinssatz (§§ 247, 288 BGB). Wird der Jahresabschluss von der Generalversammlung schon eher festgestellt, so ist die Fälligkeit schon in diesem Zeitpunkt anzunehmen (dies ergibt sich aus der Formulierung "binnen"). Auf Rücklagen und das sonstige Vermögen der eG hat das Mitglied im weitaus überwiegenden Fall keinen Anspruch (§ 73 Abs. 2 Satz 3 GenG; die Satzung könnte eine eigens für diesen Zweck vorgesehene Ergebnisrücklage bilden; dies wird bei Wohnungsgenossenschaften jedoch so gut wie nie praktiziert; vielmehr bekräftigt § 12 Abs. 2 Satz 1 MS die gesetzliche Ausgangsregelung). Das ausscheidende Genossenschaftsmitglied befindet sich also in einer völlig anderen Rolle als ein ausscheidender Personengesellschafter oder Gesellschafter einer GmbH, der auch einen Teil des Wertzuwachses beanspruchen kann (§ 738 Abs. 1 Satz 2 BGB).

 

Rz. 377

Seit der Genossenschaftsnovelle 2006 kann die Satzung die Voraussetzungen, die Modalitäten und die Frist für die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens (§ 73 Abs. 2 Satz 2, Abs. 4 GenG) abweichend von den gesetzlichen Vorgaben regeln. In der Praxis wird, wenn hiervon Gebrauch gemacht wird, meistens die Auszahlungsfrist von sechs Monaten verlängert. Eine interessante Variante könnte darin bestehen, eine Satzungsregelung zu treffen, wonach als Beschränkung für den Auszahlungsanspruch des ausgeschiedenen Mitglieds festgelegt wird, dass das Auseinandersetzungsguthaben u. a. "nicht vor Beendigung des Nutzungsverhältnisses für genossenschaftlichen Wohnraum verlangt werden kann". Eine solche Satzungsregelung hat in einem Gerichtsfall dem Angriff des Insolvenzverwalters des Mitglieds auf Amtsgerichtsebene immerhin schon einmal standgehalten.[8] Sie kann jedoch eine Kündigung der Mitgliedschaft durch den Insolvenzverwalter nach der neuen Vorschrift des § 66a GenG oder eine Kündigung durch den Vollstreck...

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