Praxis-Beispiel

Kündigung des Nutzungsvertrags durch den Betreuer

Fallbeispiel

Frau A, 89 Jahre alt, verwitwet, ist Mitglied einer Genossenschaft und bewohnt aufgrund eines Dauernutzungsvertrags eine Wohnung aus deren Bestand. Seit 2 Jahren ist ihr Sohn S ihr gerichtlich bestellter Betreuer (u. a. mit dem Aufgabenbereich "Wohnungsangelegenheiten"). Frau A fühlt sich in ihrem vertrauten Umfeld trotz ihrer altersbedingten Einschränkungen und ihrer Krankheiten weiterhin wohl und erhält in den Angelegenheiten des Alltags, z. B. bei der Erledigung der Einkäufe, Hilfe durch ihre Nachbarn. S meint aber dennoch, seine Mutter sei besser in einem Pflegeheim als in ihrer Wohnung aufgehoben und kündigt deshalb fristgerecht in seiner Funktion als Betreuer seiner Mutter den Nutzungsvertrag. Ist die Kündigung wirksam erfolgt?

Antwort

In seinem Aufgabenkreis vertritt zwar der Betreuer den Betreuten gerichtlich und außergerichtlich (§ 1902 BGB). Bestimmte Entscheidungen des Betreuers bedürfen jedoch der Zustimmung des Betreuungsgerichts, d. h. hier für die notwendige Genehmigung bei der Aufgabe der Mietwohnung.

Nach § 1907 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine solche Genehmigung für die Kündigung eines Mietverhältnisses über Wohnraum erforderlich, den der Betreute gemietet hat. Dies betrifft u. a. den Fall einer (einseitigen) Kündigungserklärung durch den Betreuer.

Weiterhin verlangt § 1907 Abs. 1 Satz 2 BGB eine solche Genehmigung auch für eine Willenserklärung, die auf die Aufhebung eines solchen Mietverhältnisses gerichtet ist. Damit könnte im vorliegenden Fall auch ein (zweiseitiger) Abschluss einer Aufhebungsvereinbarung zwischen dem Betreuer und der Wohnungsgenossenschaft nicht ohne Beteiligung des Betreuungsgerichts erfolgen.

Dies gilt auch im Rahmen der Wohnungszuweisung durch Trennung/Scheidung, d. h. bei der Beendigung des Mietverhältnisses des ausziehenden Betreuten durch gemeinsame Mitteilung der Ehegatten an den Vermieter (§ 1568a Abs. 3 Nr. 1 BGB).

Nach einer in der juristischen Fachliteratur vertretenen Meinung wird die Kündigung der Mitgliedschaft in einer Wohnungsgenossenschaft im Zusammenhang mit der Kündigung einer Genossenschaftswohnung oder der einvernehmlichen Vertragsaufhebung von der dazu erteilten gerichtlichen Genehmigung mit erfasst.[1]

Gemäß § 1907 Abs. 2 Satz 1 BGB hat der Betreuer dem Betreuungsgericht unverzüglich mitzuteilen, wenn andere Umstände eintreten, auf Grund derer die Beendigung des Mietverhältnisses in Betracht kommt, wenn sein Aufgabenkreis das Mietverhältnis oder die Aufenthaltsbestimmung umfasst. Dazu gehören die Fälle einer Kündigung und anschließender Erhebung einer Räumungsklage durch den Vermieter, bestehender erheblicher Mietrückstände sowie ein tatsächliches Verhalten des Betreuten, das zur Kündigung führen kann.[2]

Wenn schließlich der Betreuer Wohnraum auf andere Weise als durch Kündigung oder Aufhebung des Mietverhältnisses aufgeben will, hat er dies gleichfalls unverzüglich dem Betreuungsgericht mitzuteilen (§ 1907 Abs. 2 Satz 2 BGB). Als Beispiele dafür kommen der Umzug in ein Pflegeheim oder die faktische Wohnungsaufgabe durch Einzelmaßnahmen (Veräußerung des Hausrats, Beendigung des Bezugs von Strom, Gas) in Betracht.[3]

Zum Abschluss eines Miet- oder Pachtvertrags oder eines anderen Vertrags, durch den der Betreute zu wiederkehrenden Leistungen verpflichtet wird, bedarf der Betreuer der Genehmigung des Betreuungsgerichts, wenn das Vertragsverhältnis länger als vier Jahre dauern oder vom Betreuer Wohnraum vermietet werden soll (§ 1907 Abs. 3 BGB). Es wird die Auffassung vertreten, dass auch für den Abschluss von (unbefristeten) Wohnraummietverträgen, deren Dauer mehr als vier Jahre beträgt, die Genehmigung des Betreuungsgerichts notwendig ist.[4]

Wichtig für die Vermietungspraxis ist, dass der Betreuer die notwendige Genehmigung des Betreuungsgerichts vor der Abgabe der Kündigungserklärung einzuholen hat. Die Genehmigung zur Aufhebung des Mietvertrags kann dagegen auch nachträglich eingeholt werden. Die Wirksamkeit der Kündigung hängt aber nicht von der Vorlage der (bereits) erteilten Genehmigung ab.

Aber: Legt der Betreuer die Genehmigung nicht vor, kann die eG die Kündigung nach § 174 BGB zurückweisen (!).

Im vorliegenden Fall war für die Wirksamkeit der Kündigung des Dauernutzungsvertrags durch S die (vorherige) Genehmigung des Gerichts erforderlich. Diese wurde nicht eingeholt. Die Kündigung ist daher nichtig. Eine nachträgliche gerichtliche Genehmigung ist nicht möglich.

 
Praxis-Beispiel

Abwandlung

Frau A steht nicht unter Betreuung, sondern ihr Sohn S hat von ihr eine Generalvollmacht[5] erhalten. Er kündigt fristgerecht den Dauernutzungsvertrag, um Frau A in einem Pflegeheim unterzubringen.

Die Kündigung ist aufgrund der umfassenden Generalvollmacht wirksam. Dadurch wird deutlich, mit welchen Risiken die Erteilung einer Generalvollmacht verbunden sind.

[1] Bienwald/Sonnenfeld/Hoffmann/Bienwald, Betreuungsrecht, 5. Aufl. 2011, § 1907 BGB Rn. 19.
[2] Jürgens/Marschner, Betreuungsrecht, 4. Auf...

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