Leitsatz

Ein einzelner Wohnungseigentümer kann grundsätzlich die Einräumung von Mitbesitz an die anderen Wohnungseigentümer verlangen, wenn ein Raum zu Unrecht von einem Miteigentümer vereinnahmt wird.

 

Normenkette

BGB §§ 862, 985, 1004 Abs. 1; WEG §§ 13 Abs. 2, 15 Abs. 3

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer K verlangt von B, dem werdenden Eigentümer der Dachgeschosswohnung, die Herausgabe eines frei zugänglichen Spitzbodens zum Mitgebrauch an alle Wohnungseigentümer, hilfsweise, den Spitzboden zu räumen und weiter hilfsweise, es zu unterlassen, dort persönliche Gegenstände abzustellen. Bislang gebraucht B diesen Spitzboden, der über seiner Wohnung liegt, allein.
  2. Das Amtsgericht (AG) weist die Klage ab. K könne zwar als Miteigentümer einen Anspruch auf Herausgabe und Einräumung von Mitbesitz am gemeinschaftlichen Eigentum sowie einen Anspruch auf Unterlassung der alleinigen Nutzung gegenüber dem geltend machen, der vom gemeinschaftlichen Eigentum widerrechtlich Gebrauch mache, indem er es etwa für sich vereinnahme. Die Klage sei jedoch sowohl im Haupt- als auch in den Hilfsanträgen unbegründet, weil sich B gegenüber K auf ein – zumindest konkludentes – schuldrechtliches Sondernutzungsrecht berufen könne. Denn K und B hätten einen diesbezüglichen Nachtrag zur Gemeinschaftsordnung (K vertreten durch einen Bevollmächtigten) übereinstimmend unterzeichnet. Diese Vereinbarung sei zwar noch nicht im Grundbuch eingetragen. B könne sich aber "nach den Grundsätzen der werdenden WEG" auf den Inhalt der schuldrechtlichen Vereinbarung berufen. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, als auch eine vollkommen formfreie, nur konkludente Vereinbarung über die Einräumung eines Sondernutzungsrechts vorliegen könne, wenn Wohnungseigentümer einen langjährigen Alleingebrauch durch einen Wohnungseigentümer in dem Bewusstsein hinnehmen, sich dadurch in Zukunft binden zu wollen. Ein solches Bewusstsein werde hier durch den Nachtrag zur Gemeinschaftsordnung dokumentiert.
  3. Gegen dieses Urteil wendet sich K. Ohne Erfolg!
 

Die Entscheidung

  1. Für den im Hauptantrag geltend gemachten Anspruch käme als Anspruchsgrundlage nur § 985 BGB in Betracht.

    § 985 BGB

    Der Eigentümer kann von dem Besitzer die Herausgabe der Sache verlangen.

    Diesen Anspruch – sowie den Anspruch auf Unterlassung des alleinigen Gebrauchs – könne jeder Wohnungseigentümer geltend machen, ohne dass eine Ermächtigung durch die anderen Eigentümer erforderlich wäre. Es handele sich insoweit um einen Individualanspruch und nicht um eine Angelegenheit gemeinschaftlicher Verwaltung.

  2. Es fehle jedoch an einer Besitzentziehung. Denn es liege kein Gebrauch des B vor, der die übrigen Miteigentümer vollständig vom Mitgebrauch (§ 13 Abs. 2 Satz 1 WEG) ausschließe. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn B den Spitzboden versperren und für sich allein nutzen würde. Eine solche Konstellation liege aber nicht vor. Der Raum sei für alle Wohnungseigentümer frei zugänglich. Von K vorgelegte Fotos belegten keine vollflächige Belegung der Gesamtfläche durch B.
 

Kommentar

Anmerkung

Jeder Wohnungseigentümer kann jeden im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Raum grundsätzlich mitgebrauchen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn dieser Raum vermietet ist oder wenn ein Sondernutzungsrecht besteht. Im Fall durfte B daher den Spitzboden zwar nicht allein gebrauchen, er durfte ihn aber mitgebrauchen. Die Klage des K konnte daher keinen Erfolg haben, solange K sein Mitgebrauchsrecht nicht überschritten hatte. Im Übrigen wurde § 866 BGB übersehen. Im Verhältnis der Wohnungseigentümer zueinander findet danach in Bezug auf das gemeinschaftliche Eigentum ein Besitzschutz insoweit nicht statt, als es sich um die Grenzen des den einzelnen zustehenden Gebrauchs handelt.

Was ist für den Verwalter wichtig?

Der Verwalter sollte bei grundsätzlich jedem im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Raum wissen, wie dieser gebraucht werden darf. Gebraucht ein Wohnungseigentümer einen im gemeinschaftlichen Eigentum stehenden Raum allein, sollte der Verwalter wissen, dass das grundsätzlich verboten ist.

Hinweis: Faktisches Sondernutzungsrecht

Im Einzelfall ist gemeinschaftliches Eigentum, z.B. – anders als im Fall – ein Spitzboden oder ein (gegebenenfalls nachträglich angebauter) Balkon, nur erreichbar, wenn man im Sondereigentum stehende Räume durchquert. Ist gemeinschaftliches Eigentum auf diese Weise "isoliert", soll nach h.M. allenfalls ein eingeschränkter Mitgebrauch zulässig sein. Erlaubt sei nur ein gelegentliches Betreten des örtlich isolierten gemeinschaftlichen Eigentums oder das Abstellen von Gegenständen. Dies müsse der Sondereigentümer entsprechend § 14 Nummer 4 Halbsatz 1 WEG dulden. In bestimmten Fällen wird nach Lage des im gemeinschaftlichen Eigentums stehenden Raums ein Mitgebrauch sogar jenseits von § 14 Nummer 4 Halbsatz 1 WEG als völlig ausgeschlossen angesehen. Seine Grundlage findet dieses Denken im Gemeinschaftsverhältnis der Wohnungseigentümer nach dem sich die Wohnungseigentümer insoweit beim Mitgebrauch des gemei...

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