Leitsätze (amtlich)

  1. Eine Bilanzberichtigung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf nur der Steuerpflichtige selbst vornehmen. Im Einzelfall kann eine Verpflichtung zur Bilanzberichtigung bestehen.
  2. Weicht das FA fehlerhaft von einer Bilanz des Steuerpflichtigen ab, kann dieser Fehler nicht in einem späteren Veranlagungszeitraum korrigiert werden.
 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, erwarb 1990 ein Mineralgewinnungsrecht zu einem über mehrere Jahre in unverzinslichen Raten zu zahlenden Kaufpreis von 1,6 Mio. DM. In ihrer Bilanz zum 31.12.1991 wies sie einen aktiven RAP für den Zinsanteil in den verbliebenen Kaufpreisraten von 109 590 DM aus. Den Gewinn 1991 hatte die Klägerin um die auf dieses Jahr entfallenden Zinsanteile von 56 940 DM bereits gemindert. Das Finanzamt übersah diese Gewinnminderung und zog bei Erlass des Gewinnfeststellungsbescheids und GewSt-Messbescheids 1991 von dem erklärten Gewinn nochmals 56 940 DM ab. Beide Bescheide wurden bestandskräftig. Bei der Veranlagung für das Streitjahr 1992 erkannte das FA den im Vorjahr gemachten Fehler. Es erhöhte deshalb den erklärten Gewinn um 56 940 DM auf 240 806 DM. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Insgesamt enthielt die Kaufpreisforderung einen Zinsanteil von 205 918 DM. Davon waren zutreffend 39 388 DM im Jahr 1990 und 56 940 DM im Jahr 1991 gewinnmindernd berücksichtigt worden, so dass für spätere Jahre nur noch ein Rest von 109 590 DM blieb. Dementsprechend hatte die Klägerin zum 31.12.1991 einen aktiven RAP von 109 590 DM gebildet. Das Betriebsvermögen in ihrer Schlussbilanz für 1991 war danach richtig ausgewiesen.

Die vom Finanzamt vorgenommene Änderung des erklärten Gewinns 1991 hat für den Betriebsvermögensvergleich im Wirtschaftsjahr 1992 keine Bedeutung. Das Betriebsvermögen am Schluss des Wirtschaftsjahres 1991 hat sich durch die Maßnahmen des Finanzamts nicht geändert. Das Finanzamt hat die Bilanz auf den 31.12.1991 nicht "berichtigt". Eine Bilanzberichtigung kann nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG nur der Steuerpflichtige selbst vornehmen. Dem Finanzamt ist eine Berichtigung verwehrt[1]. Hält das Finanzamt eine Bilanz für fehlerhaft, darf es diese Bilanz der Besteuerung nicht zugrunde legen und muss eine eigene Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich mit gegebenenfalls auf der Grundlage der Bilanz geänderten Werten vornehmen. Übernimmt der Steuerpflichtige dann die vom Finanzamt ermittelten Werte, führt er selbst eine Bilanzberichtigung durch, deren Zulässigkeit nach den vom BFH aufgestellten Grundsätzen[2] zu beurteilen ist. Allerdings kann der Steuerpflichtige im Einzelfall verpflichtet sein, eine Bilanzberichtigung vorzunehmen. Diese Verpflichtung kann sich z.B. aus einem rechtskräftigen Urteil ergeben. Sie kann ferner aus den Grundsätzen von Treu und Glauben folgen. Davon ist z.B. dann auszugehen, wenn der Steuerpflichtige selbst im Wege einer Selbstanzeige die Fehlerhaftigkeit der Bilanz erklärt[3]. Sind die Werte des Finanzamts unzutreffend, übernimmt der Steuerpflichtige sie nicht und ist er auch nicht durch ein rechtskräftiges Urteil zur Übernahme der fehlerhaften Werte in die Bilanz verpflichtet, muss seine richtige Bilanz für den Betriebsvermögensvergleich im Folgejahr herangezogen werden. Daraus folgt, dass das fehlerhafte Abweichen von einer Bilanz des Steuerpflichtigen nicht in einem späteren Veranlagungszeitraum korrigiert werden kann. Eine Korrektur kann nur in demselben Jahr erfolgen, soweit dies nach den Vorschriften der AO zulässig ist. Dies gilt in gleicher Weise für Fehler zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen.

Da im Streitfall die Vorjahresbilanz der Klägerin richtig war und auch keine Verpflichtung zur Übernahme der vom Finanzamt fehlerhaft ermittelten Werte bestand, muss diese Vorjahresbilanz dem Betriebsvermögensvergleich zugrunde gelegt werden. Die Bilanz zum Schluss des Streitjahres 1992 ist unstreitig ebenfalls richtig. Der Gewinn ist danach durch Gegenüberstellung dieser beiden Bilanzen zu ermitteln, wie es die Klägerin getan hat. Für die vom Finanzamt vorgenommene Erhöhung des so ermittelten Gewinns um 56 940 DM gibt es keine Rechtsgrundlage.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 4.11.1999 - IV R 70/98

[1] Vgl. z.B. Weber-Grellet, in: Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 4 Rn. C 66 f.
[3] Vgl.BFH-Urteilvom28.4.1998,VIIIR46/96,BStBlII 1998, S. 443 =INF 1998, S. 540

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