Interessen­kollision?

Ein Anwalt betreibt mit seinem Sozius eine Rechtsanwaltskanzlei. Unter der gleichen Adresse betreibt dieser Anwalt eine Immobilienverwaltung. Kanzlei und Immobilienverwaltung sind unter demselben Telefonanschluss mit unterschiedlichen Nebenstellen erreichbar. Nach Auffassung der Rechtsanwaltskammer verstößt der Anwalt hierdurch gegen seine in § 27 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) verankerte Kanzleipflicht. Der Anwaltsgerichtshof (AnwGH) München hat daraufhin entschieden, dass es mit dem anwaltlichen Berufsrecht nicht unvereinbar ist, dass eine Anwaltskanzlei und eine Immobilienverwaltung in den gleichen Räumen und unter Nutzung einer Kommunikationsverbindung betrieben werden. Der Antrag der Rechtsanwaltskammer auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil hatte keinen Erfolg.

Kanzleipflicht

Zwar muss – so der Bundesgerichtshof (BGH) – jeder Anwalt im Bezirk seiner Rechtsanwaltskammer eine Kanzlei einrichten und unterhalten. Diese dient dazu, die Erreichbarkeit des Anwalts für das rechtsuchende Publikum, Berufskollegen, Gerichte und Behörden sicherzustellen. Von einer Kanzlei im Rechtssinne kann daher nur bei Vorhandensein organisatorischer Maßnahmen gesprochen werden, die der Öffentlichkeit den Willen des Anwalts offenbaren, anwaltliche Dienstleistungen bereitzustellen. Der Anwalt muss dem rechtsuchenden Publikum in seinen Kanzleiräumen zu angemessenen Zeiten für anwaltliche Dienste zur Verfügung stehen.

Verletzung der Verschwiegenheitspflicht?

Allerdings vertritt das Gericht, ebenso wie bereits die Vorinstanz, die Auffassung, dass die Ausübung einer Immobilienverwaltung durch einen Anwalt in den Räumen seiner Anwaltskanzlei nicht die Gefahr der Verletzung der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 43a Abs. 2 BRAO birgt. Die Sicherung der strafprozessualen Beschlagnahmeverbote erfordert keine räumliche Trennung von Kanzlei und Immobilienverwaltung. Gegenstände im Sinne von § 97 Abs. 1 Strafprozessordnung (StPO), die sich im Mitgewahrsam eines Anwalts in dessen Kanzleiräumen befinden, seien auch dann vor einem staatlichen Zugriff geschützt, wenn der nicht anwaltliche Sozius an ihnen unmittelbaren Besitz hat. Der Schutz vor staatlichem Zugriff bestehe bei solchen Gewahrsamsverhältnissen unabhängig davon, ob es sich bei demjenigen, der neben dem Anwalt Besitz oder Mitbesitz an den betreffenden Gegenständen hat, um einen Sozius des Anwalts oder einen Berufsträger handelt, der sich seinerseits auf ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO berufen kann.

Fazit

Die Ausübung einer Immobilienverwaltung in den Räumen einer Rechtsanwaltssozietät birgt nicht die Gefahr einer Verletzung der Verschwiegenheitspflicht.

(BGH, Beschluss v. 21.3.2017, AnwZ (Brfg) 3/17, dazu NJW-Spezial 2017 S. 350)

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