Übel an der Wurzel

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen Eigentümer von baumbestandenen Grundstücken für Rückstauschäden haften, die durch Wurzeleinwuchs in Abwasserkanäle entstehen.

Fehlende Rückstau­sicherung

Die Klägerin ist Eigentümerin eines Hausgrundstücks, das an die städtische Schmutz- und Regenwasserkanalisation angeschlossen ist und an einen im Eigentum der beklagten Gemeinde stehenden Wendeplatz grenzt, auf dem ein Kastanienbaum angepflanzt ist. Nach der Abwasserbeseitigungssatzung der Beklagten hat sich jeder Anschlussnehmer gegen Rückstau des Abwassers aus den öffentlichen Abwasseranlagen bis zur Rückstauebene selbst zu schützen. Das Anwesen der Klägerin verfügt nicht über eine solche Rückstausicherung. Eines nachts bei Starkregen konnte die Regenwasserkanalisation die anfallenden Wassermassen nicht mehr ableiten, weil Wurzeln der auf dem Wendeplatz befindlichen Kastanie in den Kanal eingewachsen waren und dessen Leistungsfähigkeit stark einschränkten. Deshalb kam es zu einem Rückstau im öffentlichen Kanalsystem und auf dem Grundstück der Klägerin zum Austritt von Wasser aus einem unterhalb der Rückstauebene gelegenen Bodenlauf in den Keller. Die Klägerin macht geltend, durch den Rückstau des Wassers und die in dessen Folge eingetretene Überschwemmung ihres Keller sei ihr ein Schaden von rd. 30.000 EUR entstanden, auf den sie sich allerdings wegen eigenen Mitverschuldens im Hinblick auf das Fehlen einer Rückstausicherung ein Drittel anrechnen lasse.

Zurückverweisung an Berufungs­gericht

Das Landgericht hatte die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von rd. 15.000 EUR verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hatte das Oberlandesgericht die Klage insgesamt abgewiesen, da Schadensersatzansprüche wegen der fehlenden Rückstausicherung ausgeschlossen seien. Doch der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Kontrollpflichten

Nach Auffassung des Gerichts hängt es von den konkreten Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab, ob und in welchem Umfang bzw. mit welcher Kontrolldichte ein Grundstückseigentümer im Rahmen seiner Verkehrssicherungspflicht für einen auf seinem Grundstück stehenden Baum Kontroll- und Überprüfungsmaßnahmen auch in Bezug auf die mögliche Verwurzelung eines Abwasserkanals durchführen muss. Dabei seien zunächst die räumliche Nähe des Baums und seiner Wurzeln zu dem Abwassersystem sowie Art bzw. Gattung, Alter und Wurzelsystem (Flachwurzler, Herzwurzler, Tiefwurzler) des Baums zu berücksichtigen. Welcher Art die Kontrollpflichten seien, hänge von der Zumutbarkeit für den Grundstückseigentümer im Einzelfall ab. Dabei müsse er regelmäßig nicht den Kanal selbst überprüfen, zu dem er zumeist keinen Zugang habe.

"Herrin" des Kanalsystems

Im konkreten Fall hätte die Beklagte als Eigentümerin des baumbestandenen Grundstücks und zugleich als Betreiberin des öffentlichen Abwassersystems jedoch den unmittelbaren Zugang zum gesamten ober- und unterirdischen von dem Kastanienbaum ausgehenden Gefahrenbereich gehabt. Soweit im Rahmen ohnehin gebotener Inspektionen des Kanals die Einwurzelungen erkennbar gewesen wären, hätte sie als Grundstückseigentümerin die Pflicht gehabt, diese rechtzeitig zu beseitigen. Zu den vorstehenden Voraussetzungen müsse das Berufungsgericht Feststellungen nachholen.

Mitver­schulden

Eine Haftung wegen einer möglichen Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten werde auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass die von der Klägerin gegen einen möglichen Rückstau zu treffenden Vorkehrungen unzureichend waren. Die aus der Satzung folgende Obliegenheit von Grundstückseigentümern, selbst für eine Sicherung gegen Rückstauschäden zu sorgen, gelte nur im Verhältnis zum Kanalbetreiber. Die beklagte Stadt hafte im Streitfall jedoch nicht in dieser Funktion, sondern als Eigentümerin des Baumgrundstücks. Es komme daher nur eine Kürzung des etwaigen Schadensersatzanspruchs wegen Mitverschuldens der Klägerin gemäß § 254 Abs. 1 BGB in Betracht.

Fazit

Verkehrssicherungspflichten des Eigentümers eines baumbestandenen Grundstücks wegen der Verwurzelung eines Abwassersystems sind zwar nicht von vornherein ausgeschlossen, kommen jedoch nur unter besonderen Umständen in Betracht.

(BGH, Urteil v. 24.8.2017, III ZR 574/16)

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