Zweifelhafte Methoden?

Mancher Privateigentümer kann sich gegen Falschparker oft nur unter Zuhilfenahme eines Abschleppunternehmers wehren. Doch wer einmal in die Fänge eines solchen Unternehmens geraten ist, weiß um deren mitunter "robuste" Vorgehensweise, die auch strafrechtlich von Bedeutung sein kann. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt geklärt, wann sich ein Abschleppunternehmer strafbar macht, wenn er von Fahrzeugführern die sofortige Erstattung seiner Aufwendungen im Gegenzug für die Freigabe ihrer falsch geparkten Fahrzeuge einfordert.

Ein alltäg­licher Fall

Der Angeklagte betrieb ein Abschleppunternehmen und verdiente sein Geld damit, falsch geparkte Fahrzeuge von Privatgrundstücken zu entfernen. Er hatte mit Supermärkten, Krankenhäusern und Hausverwaltungen Rahmenverträge abgeschlossen, in denen er sich verpflichtete, unberechtigt parkende Fahrzeuge abzuschleppen. Im Gegenzug traten die Vertragspartner ihre Schadensersatzansprüche gegen die besitzstörenden Fahrzeugführer an den Angeklagten ab. Regelmäßig übernahmen der Angeklagte oder seine Mitarbeiter auch die Überwachung der jeweiligen Parkplätze. Wurde ein Parkverstoß festgestellt, ließ der Angeklagte bis zum Eintreffen des Abschleppwagens eine Parkkralle anbringen. Die Fahrzeuge wurden dann auf einen öffentlichen Parkplatz umgesetzt. Gegenüber den Führern der abgeschleppten bzw. durch eine Parkkralle festgesetzten Fahrzeuge machte der Angeklagte unter Verweis auf seine vertragliche Vereinbarung mit den Grundstückseigentümern ein Zurückbehaltungsrecht geltend und forderte eine sofortige Zahlung von Geldbeträgen zwischen 80 und 350 EUR, damit die Parkkrallen abgenommen wurden bzw. der Standort des abgeschleppten Fahrzeugs preisgegeben wurde. Die Höhe der Beträge entsprach dabei den marktüblichen Tarifen für Abschleppleistungen. Der Angeklagte hatte sich von mehreren Rechtsanwälten bescheinigen lassen, dass seine Vorgehensweise mit geltendem Recht vereinbar war. Das Landgericht sprach ihn vom Vorwurf der Nötigung und Erpressung in 28 Fällen frei. Soweit keine Parkkrallen zum Einsatz kamen, habe er rechtmäßig gehandelt. Im Übrigen läge ein unvermeidbarer Verbotsirrtum vor. Der BGH hält in der Revisionsinstanz in 27 Fällen den Freispruch aufrecht. Nur in einem Fall stuft das Gericht das Vorgehen des Angeklagten als strafbar ein, weil er dort gegen einen Fahrzeugführer einen Anspruch für tatsächlich nicht erbrachte Leistungen geltend machte.

Keine Erpressung wegen Erstattungs­anspruch

In den übrigen Fällen fehlt es für den Vorwurf der Erpressung an einer Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern. Denn der Angeklagte konnte berechtigterweise davon ausgehen, dass ihm die geltend gemachten Ansprüche tatsächlich zustanden. Nach der Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen hat ein Grundstückseigentümer gegenüber einem falschparkenden Besitzstörer grundsätzlich einen Anspruch auf Erstattung der Abschleppkosten. Trotz einiger abweichender amtsgerichtlicher Judikate durfte der Angeklagte der Einschätzung seiner Rechtsberater vertrauen, wonach seine Vorgehensweise rechtmäßig ist.

Keine Nötigung wegen Verbotsirrtums

Der BGH verneint auch eine Strafbarkeit wegen Nötigung. Zwar lässt der Senat offen, ob der Einsatz von Parkkrallen hier womöglich verwerflich im Sinne von § 240 Abs. 2 StGB war. Der Angeklagte befand sich aber jedenfalls in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum. Er hatte hier umfangreichen Rechtsrat von mehreren Anwälten sowie ein Rechtsgutachten eines Hochschullehrers eingeholt, die ihm allesamt die Rechtmäßigkeit seines Vorgehens bestätigten. Der Sachverhalt legt nicht die Annahme nahe, dass es sich dabei um bloße Gefälligkeitsauskünfte gehandelt hat, sondern dass tatsächlich eine umfassende Prüfung der einschlägigen Rechtsfragen stattgefunden hat.

Vorsicht!

Hinweis: An die Begründung eines unvermeidbaren Verbotsirrtums werden auch bei Einholung von Rechtsrat hohe Anforderungen gestellt. Es handelt sich hier um eine der seltenen Konstellationen, in denen von den Strafgerichten auch im Bereich des Kernstrafrechts ein unvermeidbarer Verbotsirrtum angenommen wurde, was allerdings darauf zurückzuführen ist, dass in dem Verfahren schwierige zivilrechtliche Vorfragen eine Rolle spielen.

(BGH, Urteil v. 21.12.2016, 1 StR 253/16, NStZ 2017 S. 284 mit Anm. Wittig, dazu NJW-Spezial 2017, S. 217)

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