Leitsatz

1. "Offensichtlich" verkehrsgünstiger i.S.d. § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG ist die vom Arbeitnehmer gewählte Straßenverbindung, wenn sich jeder unvoreingenommene, verständige Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte.

2. Zu vergleichen sind die kürzeste und die vom Arbeitnehmer regelmäßig für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzte längere Straßenverbindung. Weitere mögliche, vom Arbeitnehmer tatsächlich aber nicht benutzte Fahrtstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsstätte bleiben dagegen unberücksichtigt.

 

Sachverhalt

K setzte für die Wegstrecke zu seinem Arbeitsplatz 56 km an. Das Finanzamt berücksichtigte nur 44 km. Das FG erkannte 49 km an, da nur ein Teil der von K gewählten Wegstrecke verkehrsgünstiger sei. Der BFH hob die Vorentscheidung auf und verwies die Sache zurück.

 

Entscheidung

Fahrten zwischen Wohnung und regelmäßiger Arbeitsstätte sind Werbungskosten, anzusetzen mit 0,30 EUR je Entfernungskilometer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Maßgebend ist die kürzeste Straßenverbindung, falls nicht folgende gesetzliche Ausnahme greift: Statt der kürzesten kann eine längere Straßenverbindung zugrunde gelegt werden, wenn letztere "offensichtlich verkehrsgünstiger" ist und vom Arbeitnehmer tatsächlich regelmäßig als Weg zwischen der Wohnung und der Arbeitsstätte benutzt wird.

Eine Straßenverbindung ist dann verkehrsgünstiger, wenn damit die Arbeitsstätte trotz gelegentlicher Verkehrsstörungen i.d.R. schneller und pünktlicher erreicht wird. Dem folgt auch die Verwaltung. "Offensichtlich" verkehrsgünstiger ist die Straßenverbindung, wenn ihre Vorteilhaftigkeit so auf der Hand liegt, dass sich auch ein unvoreingenommener, verständiger Verkehrsteilnehmer unter den gegebenen Verkehrsverhältnissen für die Benutzung der Strecke entschieden hätte.

Das FG hat die nach seiner eigenen Einschätzung verkehrsgünstigste Verbindung ermittelt und die entsprechende Entfernung berücksichtigt. Dem ist nicht zu folgen, denn eine "Idealstrecke" ist – anders als die tatsächlich gefahrene Strecke – kein Vergleichsmaßstab.

Neben der Entstehungsgeschichte und dem Regelungsziel verlangt schon der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 Satz 4 EStG, dass der Arbeitnehmer die andere Straßenverbindung regelmäßig nutzt. Das ist auch praktikabel. Denn so ist nicht die ideale Strecke schlechthin zu suchen, sondern lediglich zwischen der kürzesten und der tatsächlich gefahrenen Verbindung zu vergleichen und das Tatbestandsmerkmal "offensichtlich verkehrsgünstiger" zu prüfen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 16.11.2011, VI R 46/10.

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