Leitsatz

Eine ärztliche Notfallpraxis im selbst genutzten Wohnhaus unterliegt nicht der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG, wenn sie nach außen erkennbar dem Publikumsverkehr gewidmet ist. Die Bestimmung für den Publikumsverkehr setzt voraus, dass die Notfallpraxis über einen Eingangsbereich verfügt, der sich erkennbar von den privat genutzten Räumlichkeiten absetzt und keine unmittelbare räumliche Verbindung zu diesen aufweist (Fortführung des BFH-Urteils vom 5.12.2002, IV R 7/01, BStBl II 2003, S. 463). Nutzt ein Steuerpflichtiger mehrere in die häusliche Sphäre eingebundene Räume für berufliche oder betriebliche Zwecke, ist die Qualifizierung als häusliches Arbeitszimmer regelmäßig für jeden Raum gesondert vorzunehmen. Eine gemeinsame Qualifizierung kommt nur in Betracht, wenn die Räume in Folge nahezu identischer Nutzung eine funktionale Einheit bilden (Hinweis auf BFH-Urteil vom 19.9.2002, VI R 70/01, BStBl II 2003, S. 139 = INF 2003, S. 84).

 

Sachverhalt

Die selbständig in einer Gemeinschaftspraxis tätige Ärztin nutzte für die von ihr zu leistenden Not- und Bereitschaftsdienste drei Kellerräume des selbst bewohnten Hauses als Notfallpraxis, die über eine eigene Toilette verfügte und von der Garage oder über das Treppenhaus vom Erdgeschoss aus zugänglich war. Einen weiteren Raum im Erdgeschoss nutzte sie als Büro. Die im Rahmen der selbständigen Tätigkeit als Betriebsausgaben geltend gemachten anteiligen Aufwendungen für die beruflich genutzten Räume berücksichtigte das Finanzamt unter Hinweis auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG nicht, da das Arbeitszimmer nicht zu mehr als 50 % beruflich genutzt werde und in der Gemeinschaftspraxis ein Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

 

Entscheidung

Nach der BFH-Rechtsprechung erfasst die Abzugsbeschränkung in § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b EStG das häusliche Büro, d.h. einen Arbeitsraum, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Steuerpflichtigen eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer Arbeiten dient. Dazu gehört eine ärztliche Notfallpraxis, die für die Behandlung von Patienten eingerichtet und für jene leicht – und unabhängig von den privat genutzten Teilen des Hauses – zugänglich ist[1], nicht. Die durch sie veranlassten Betriebsausgaben sind uneingeschränkt abziehbar, sofern die Räume – auch ausweislich ihrer Sachausstattung zur Nutzung als Notfallpraxis – nahezu ausschließlich betrieblich genutzt werden. Zeiten der Nichtnutzung dürfen dabei nicht der außerbetrieblichen Nutzung zugerechnet werden, weil das Bereithalten des Behandlungsraums für eine Notfallversorgung betrieblich veranlasst ist.

Unabhängig davon ist die Abziehbarkeit von Aufwendungen für das im Erdgeschoss des Wohnhauses liegende Büro zu beurteilen; als häusliches Arbeitszimmer unterliegt es § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6 b Satz 1 EStG. Denn es gilt schon deshalb als in die häusliche Sphäre eingebunden, weil es sich im privat genutzten Wohnhaus des Steuerpflichtigen befindet[2]. Dies gilt auch dann, wenn das Arbeitszimmer im Zusammenhang mit der Betriebsstätte im selben Haus steht, solange nicht zwischen dieser und dem Arbeitszimmer eine funktionale Einheit besteht; eine solche liegt indessen nur vor, wenn verschiedene Räume – anders als im Streitfall – nahezu identisch genutzt werden. Da die Ärztin im Übrigen den überwiegenden Teil ihrer Tätigkeit in den Räumen der Gemeinschaftspraxis erbracht und ihr dort auch ein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden hat, sind die Arbeitszimmeraufwendungen in vollem Umfang nicht abziehbar.

 

Praxishinweis

Eine funktionelle Einheit zwischen Arbeitszimmer und weiteren Räumen hat der BFH nur für den Fall bejaht, dass die weiteren Räume Archivzwecken hinsichtlich der im Arbeitszimmer ausgeübten Tätigkeiten dienen und diese ihrer Art nach auch dort ausgeübt werden könnten[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 20.11.2003, IV R 3/02

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