Leitsatz (amtlich)

Eine betrieblich veranlasste Rentenverpflichtung ist nach Betriebsaufgabe weiterhin als Betriebsschuld zu behandeln, wenn sie zwar durch die bei der Aufgabe erzielten Erlöse hätte abgelöst werden können, der Rentenberechtigte der Ablösung aber nicht zugestimmt hat.

 

Sachverhalt

Zum Betriebsvermögen der Klägerin gehörte ein zu 40% gewerblich genutztes Grundstück, das u.a. gegen eine an die Veräußerer zu leistende Rente erworben worden war. Der betrieblich genutzte Grundstücksanteil wurde zu 40%, die Rentenverpflichtung ebenfalls zu 40% des nach versicherungsmathematischen Grundsätzen ermittelten Barwerts ausgewiesen. Die Differenz zwischen den Rentenzahlungen und den Minderungen des Barwerts an den jeweiligen Bilanzstichtagen (Zinsanteil) wurde zu 40 % als Betriebsausgaben behandelt. 1988 veräußerte die Klägerin das Grundstück, die Rentenzahlungen behandelte sie unverändert. Ende 1989 gab sie den Betrieb auf. Einer Ablösung der Rentenverpflichtung (ca. 20 000 DM) stimmten die Rentenberechtigten nicht zu. Das Finanzamt legte der Ermittlung des Zinsanteils für die Jahre nach Aufgabe des Gewerbebetriebs (1990 bis 1992) lediglich den Ertragsanteil gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG mit 36 % der Rentenzahlungen zugrunde. Das FG gab der Klage statt[1]. Die Revision des Finanzamts blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Zu Recht hat das FG die in den Rentenzahlungen der Klägerin enthaltenen Zinsanteile als nachträgliche Betriebsausgaben anerkannt, die Zinsanteile hat es zutreffend ermittelt.

  1. Die Rentenverbindlichkeit der Klägerin war zu 40 % betrieblich veranlasst. Durch die Betriebsaufgabe hat sich der Charakter der Rentenschuld nicht verändert. Bei Aufgabe oder Veräußerung eines Betriebes behalten Schulden ihren betrieblichen Charakter allerdings grundsätzlich nur dann, wenn der Steuerpflichtige sämtliche vorhandenen aktiven Wirtschaftsgüter zu deren Tilgung einsetzt, eine weiterbestehende Schuld daher durch Einsatz des Erlöses aus der Verwertung dieser Wirtschaftsgüter nicht getilgt werden konnte[2]. Die Klägerin hat zwar einen Aufgabegewinn von ca. 113 000 DM und damit einen Veräußerungserlös erzielt, der jedenfalls zur Ablösung der Rentenverpflichtung ausgereicht hätte. Dieser Umstand ist indessen nicht schädlich, wenn der Verwertung des Aktivvermögens oder Tilgung der Betriebsschulden Hindernisse entgegenstanden, die eine Verrechnung der Schulden mit den Erlösen aus den Aktivwerten nicht zuließen. Dann bleiben die von der Veräußerung ausgenommenen Betriebsschulden dennoch "passives Restvermögen" und sind - bis zum Wegfall der Verwertungs- oder Tilgungshindernisse - so zu behandeln, als ob sie ihren betrieblichen Charakter behalten hätten[3]. So lag es im Streitfall, weil die Rentenberechtigte der Ablösung der Rentenverpflichtung widersprochen hatte.
  2. Entgegen der Ansicht des Finanzamts ist nicht entscheidend, ob die zurückbehaltene Verbindlichkeit mit einem inzwischen veräußerten aktiven Wirtschaftsgut wirtschaftlich verknüpft war. Andernfalls wären auch Verbindlichkeiten aus der Beschaffung von veräußertem beweglichen Anlage- oder Vorratsvermögen nicht als weiterhin betrieblich zu behandeln.
  3. Die Berechnung der als Betriebsausgaben abziehbaren Zinsanteile der Ren-
  4. tenverpflichtung durch das FG ist nicht zu beanstanden. Der jeweilige Zinsanteil ist auch im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu berechnen, indem man - wie bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG - den tatsächlich gezahlten Rentenbetrag jeweils um den Betrag mindert, um den sich der Barwert der Rentenverbindlichkeit infolge der Berücksichtigung der verminderten Lebenserwartung des Rentenberechtigten verringert[4]. Durch Anwendung dieses Verfahrens bei beiden Gewinnermittlungsarten wird der Grundsatz der Gesamtgewinngleichheit gewahrt und bewirkt, dass auch im Rahmen einer Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG die Tilgungsanteile der Rentenzahlungen vom Abzug als Betriebsausgaben ausgenommen bleiben. Die vom Finanzamt angewandte Berechnung gemäß § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG ist nur bei Überschusseinkünften oder für den Sonderausgabenabzug, nicht hingegen im Rahmen der übrigen Einkunftsarten anwendbar[5].
 

Link zur Entscheidung

BFH vom 22.9.1999 - XI R 46/98

Anmerkung

Die Entscheidung setzt die Linie der ständigen Rechtsprechung des BFH fort, wonach der betriebliche Charakter einer bei Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe i.S. von § 16 EStG zurückbehaltenen Betriebsschuld und der dadurch entstehenden Schuldzinsen endet, soweit die im Zuge der Betriebsveräußerung oder -aufgabe erzielten Veräußerungserlöse und die gemeinen Werte der in das Privatvermögen überführten Wirtschaftsgüter ausreichen, um die Schuld abzulösen[6]. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung naturgemäß dann, wenn die Betriebsschulden trotz ausreichenden Aktivvermögens deswegen nicht sofort - im Zuge der Betriebsveräußerung oder -aufgabe - getilgt werden können, weil Tilgungshindernisse bestehen, so etwa wenn - wie hier - der Rentenber...

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