Leitsätze (amtlich)

  1. Der BFH ist berechtigt und verpflichtet, die nachträglich erstellten Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen im Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen (Anschluss an BFH-Beschluss vom 19.4. 1968, IV B 3/66, BStBl II 1968, S. 538).
  2. Ein solches Fahrtenbuch kann ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheids begründen, der auf der Grundlage der 1 v.H.-Regelung und der sog. Kostendeckelung ergangen ist.
 

Sachverhalt

Der Antragsteller ist selbständiger Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Im Streitjahr 1996 hielt er im Betriebsvermögen einen vollständig abgeschriebenen Pkw, den er für betriebliche Fahrten, Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte und Privatfahrten nutzte. Die Kfz-Kosten von 5 937 DM machte er nach Abzug eines Privatanteils von 30 % und unter Berücksichtigung der Fahrten zwischen Wohnung und Betriebsstätte als Betriebsausgaben in Höhe von 4 197 DM geltend. Das Finanzamt lehnte dies unter Hinweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ab und verzichtete auf eine Besteuerung des darüber hinausgehenden Nutzungswerts wegen der sog. Kostendeckelung[1]. Gegen den ESt-Bescheid 1996 legte der Antragsteller Einspruch ein, worüber noch nicht entschieden ist. Mit seinem beim FG gestellten AdV-Antrag hatte der Antragsteller keinen Erfolg. Das FG meinte, der Antragsteller habe den Nachweis über das Verhältnis der privaten zu den betrieblichen Fahrten durch Führung eines Fahrtenbuchs nicht erbracht. Mit der dagegen erhobenen Beschwerde legte der Antragsteller eine dezidierte Aufstellung vor, die alle Fahrten des Streitjahrs ausweist. Daraus ergibt sich, dass ein Anteil von 78,44% der im Streitjahr durchgeführten Fahrten geschäftlich veranlasst war. Die Beschwerde beim BFH hatte Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Aussetzung der Vollziehung des ESt-Bescheids 1996. Finanzamt und FG haben den Abzug der Kfz-Kosten als Betriebsausgaben abgelehnt, weil die Ermittlung des privaten Nutzungsanteils nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu einem die nachgewiesenen Aufwendungen übersteigenden Betrag führte. Nachdem der Antragsteller im Beschwerdeverfahren eine Aufstellung aller seiner im Streitjahr unternommenen Fahrten vorgelegt hat, sind allerdings ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids begründet. Diese Aufzeichnungen weisen einen betrieblichen Nutzungsumfang von 78,44 % der Gesamtfahrleistung des Streitjahrs aus. Bei Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG wäre daher dem Begehren des Antragstellers stattzugeben, ohne dass es auf die von ihm aufgeworfene Frage nach der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Typisierung des Anteils der privaten Kfz-Nutzung ankäme. Im Beschwerdeverfahren gegen die Ablehnung einer Aussetzung der Vollziehung kann weder festgestellt werden, ob die Aufzeichnungen des Antragstellers in tatsächlicher Hinsicht zutreffend sind, noch ist dieses Verfahren geeignet, endgültig die Rechtsfrage zu klären, was unter dem Begriff des ordnungsgemäßen Fahrtenbuchs i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG zu verstehen ist; insbesondere, ob die Eintragungen in das Fahrtenbuch zeitnah zu erfolgen haben oder nachträglich vorgenommen werden können und ob Mängel dieser Aufzeichnungen das Finanzamt nur zu einer Schätzung berechtigen oder aber zur Anwendung der Typisierungsregelung des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zwingen. Die Entscheidung dieser Rechtsfragen muss dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.

Im vorliegenden Verfahren ist der Senat als Beschwerdegericht berechtigt und verpflichtet, neues tatsächliches Vorbringen zu berücksichtigen, weil für das Beschwerdeverfahren insoweit keine einschränkende Vorschrift wie für das Revisionsverfahren[2] besteht[3].

 

Link zur Entscheidung

BFH-Beschluss vom 24.2.2000 -IV B 83/99

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