Leitsatz (amtlich)

Für die erstmalige Festsetzung der Investitionszulage besteht eine Anlaufhemmung weder nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 noch nach § 170 Abs. 3 AO 1977. Die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 3 AO 1977 greift indes für die Aufhebung oder Änderung von unter dem Vorbehalt der Nachprüfung durchgeführten Festsetzungen der Investitionszulage mit der Folge ein, dass der Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO 1977 nicht vor dem Ablauf der durch § 170 Abs. 3 AO 1977 verlängerten Änderungsfrist wegfällt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin betreibt eine Apotheke im Fördergebiet. Sie beantragte am 22.6.1992 für 1991 eine Investitionszulage. Im Antrag enthalten waren u.a. die Anschaffungskosten für eine "Küche" und eine Einbruchmeldeanlage. Das Finanzamt setzte die Investitionszulage mit Bescheid vom 10.7.1992 unter dem Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß fest. Im Anschluss an Beanstandungen des Landesrechnungshofs vom 26.11.1996 erließ das Finanzamt am 18.12.1996 einen nach § 164 Abs. 2 AO geänderten Investitionszulagenbescheid und setzte die Investitionszulage herab, weil es die "Küche" und die Alarmanlage nicht mehr für zulagenbegünstigt hielt. Die dagegen erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend machte, der Vorbehalt der Nachprüfung sei nach § 164 Abs. 4 AO entfallen, hatte Erfolg. Auf die Revision des Finanzamts hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Entgegen der Ansicht des FG hat das Finanzamt den Investitionszulagen-Änderungsbescheid für 1991 zu Recht nach § 164 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AO erlassen. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991 sind die für die Steuervergütungen geltenden Vorschriften der AO auf die Investitionszulage entsprechend anwendbar. § 155 Abs. 4 AO bestimmt, dass die für die Steuerfestsetzung geltenden Vorschriften auf die Festsetzung einer Steuervergütung sinngemäß anzuwenden sind. Wird eine Steuervergütung - wie die Investitionszulage - nur auf Antrag festgesetzt[1], so beginnt die vierjährige Festsetzungsfrist grundsätzlich nach § 170 Abs. 1 AO mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer bzw. der Anspruch entstanden ist. Der Anspruch auf Investitionszulage entsteht nicht mit der Verwirklichung eines einzelnen Investitionstatbestandes, sondern erst mit Ablauf des Kalenderjahres.

Eine Anlaufhemmung besteht für die erstmalige Festsetzung der Investitionszulage weder nach § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO noch nach § 170 Abs. 3 AO. Es besteht nämlich keine Pflicht zur Abgabe einer Erklärung bzw. eines Antrags auf Investitionszulage[2]. Dagegen beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung einer Festsetzung der Investitionszulage oder für deren Berichtigung nach § 129 AO nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag auf Investitionszulage gestellt worden ist. Dies beruht darauf, dass es sich bei der Investitionszulage um eine Steuervergütung handelt[3], die nur auf Antrag festgesetzt wird.

Nach § 164 Abs. 4 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Weder aus § 164 Abs. 4 noch aus § 170 Abs. 3 AO lässt sich irgend ein Anhaltspunkt dafür herleiten, dass bei der Berechnung der Festsetzungsfrist im Rahmen des § 164 Abs. 4 Satz 1 AO allein an die für die erstmalige Festsetzung geltende "normale" Festsetzungsfrist anzuknüpfen wäre. § 164 Abs. 4 AO betrifft gerade nicht die erstmalige Festsetzung, sondern soll eine Änderung oder Aufhebung eines bereits erlassenen Vorbehaltsbescheides ermöglichen. Der Regelung in § 164 Abs. 4 Satz 1 AO wird lediglich eine deklaratorische Bedeutung beigemessen, weil eine Aufhebung oder Änderung des Steuerbescheids bzw. Vergütungsbescheids mit Ablauf der Festsetzungsfrist ohnehin ausscheidet[4]. § 164 Abs. 4 AO dient nicht der erstmaligen Steuerfestsetzung, sondern soll die gegenüber der Reichsabgabenordnung kürzeren Fristen für die Festsetzung von Steuern zugunsten der Verwaltung durch die Vorbehaltsfestsetzung kompensieren. Diesen, den Regelungen in § 164 Abs. 4 und § 170 Abs. 3 AO zugrunde liegenden gesetzgeberischen Zwecken liefe eine Auslegung zuwider, die die Anlaufhemmung gerade für den Regelfall der Vorbehaltsfestsetzung von Investitionszulagen ausschließen wollte. Die Regelung der Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung bezweckt als zentrale Vorschrift der AO eine rasche Steuererhebung bzw. - entsprechend dem Zweck der Fördergesetze - eine möglichst zügige Gewährung von Investitionszulagen. Sie soll dafür den Steuerfall offen halten und sowohl zugunsten des Fiskus als auch zugunsten des Steuerpflichtigen eine jederzeitige Änderung der Vorbehaltsfestsetzung in rechtlicher und in tatsächlicher Hinsicht ermöglichen.

Hier war der Anspruch auf Investitionszulage für das Streitjahr 1991 mit dessen Ablauf entstanden. Der Beginn der für die erstmalige Festsetzung dieses Anspruchs geltenden vierjährigen Festsetzungsfrist[5] war hinsichtlich der auf § 164 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 AO gestützten Änderung des Erstbescheides nach § 170 Abs. 3 AO...

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