Leitsatz (amtlich)

Bei der Prüfung der zeitlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer Baubetriebsstätte i.S. DBA-Ungarn sind mehrere Bauausführungen nicht zusammenzurechnen. Bauarbeiten an verschiedenen Orten können allenfalls dann als einheitliche Bauausführung angesehen werden, wenn zwischen ihnen ein technischer und organisatorischer Zusammenhang besteht. Es reicht nicht aus, dass es sich um gleichartige Arbeiten handelt, die für ein und denselben Auftraggeber ausgeführt werden.

 

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine nach ungarischem Recht gegründete Kapitalgesellschaft mit Sitz in Ungarn. Sie war in den Jahren 1992 bis 1997 in Deutschland als Subunternehmerin im Baugewerbe tätig. Im Streitjahr 1994 führte sie Bauarbeiten im Stadtgebiet von München aus, und zwar auf den Baustellen A (Dauer: 25 Monate), B (Dauer: 11 Monate) und C (Dauer: 1 Monat). Auftraggeber war jeweils die Firma H. Für die Bauarbeiten setzte die Klägerin ausnahmslos ungarische Arbeitnehmer ein, die sie in Ungarn eingestellt hatte. Die Arbeitnehmer reisten aus Ungarn nach Deutschland ein und wohnten in von der Firma H zur Verfügung gestellten Baucontainern. Für 1994 erklärte die Klägerin lediglich den auf die Baustelle A entfallenden Gewinn. Dabei ging sie davon aus, dass die Gewinne aus den übrigen Aufträgen nach dem DBA-Ungarn nicht der deutschen Besteuerung unterlagen. Dagegen meinte das Finanzamt, dass die auf die Baustellen B und C entfallenden Gewinne der Klägerin ebenfalls in Deutschland zu besteuern seien. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt[1]. Die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Die Klägerin hatte sowohl ihren Sitz als auch ihre Geschäftsleitung in Ungarn. Sie war daher in Ungarn ansässig[2]. Nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 DBA-Ungarn dürfen Unternehmensgewinne nur im Ansässigkeitsstaat des Unternehmens besteuert werden, wenn nicht das Unternehmen seine Tätigkeit im anderen Vertragsstaat durch eine dort gelegene Betriebsstätte ausübt. Die in diesem Zusammenhang maßgebliche Definition des Begriffs "Betriebsstätte" richtet sich nach Art. 5 DBA-Ungarn. Die dort enthaltene Begriffsbestimmung geht bei Anwendung des Abkommens derjenigen in § 12 AO vor[3]. Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Ungarn umfasst der Ausdruck "Betriebsstätte" insbesondere eine Bauausführung, deren Dauer zwölf Monate überschreitet. Das bedeutet zugleich, dass Bauausführungen bis zu zwölf Monaten Dauer keine Betriebsstätten i.S. des DBA-Ungarn begründen. Eine Ausnahme hiervon ist allenfalls dann denkbar, wenn am Ort der Bauausführung zugleich eine "feste Einrichtung" des Unternehmens i.S. des Art. 5 Abs. 1 DBA-Ungarn besteht, die nach dieser Vorschrift betriebsstättenbegründend ist. Die Klägerin wurde an keiner der beiden Baustellen länger als zwölf Monate tätig. Die verschiedenen Bautätigkeiten der Klägerin waren nicht als Bestandteile einer einheitlichen Maßnahme anzusehen, so dass die Arbeiten auch nicht unter diesem Gesichtspunkt für Zwecke des Art. 5 DBA-Ungarn zeitlich zusammengerechnet werden können. Eine einheitliche Bauausführung i.S. des DBA-Ungarn ist nur dann anzunehmen, wenn zwischen den einzelnen Bautätigkeiten eine wirtschaftliche und geographische Einheit besteht[4]. Dies ist hier zu verneinen. Die Arbeiten wurden an verschiedenen Orten durchgeführt und betrafen unterschiedliche Bauvorhaben, die weder technisch noch organisatorisch miteinander zusammenhängen. Dementsprechend waren der Klägerin für die einzelnen Baustellen auch unterschiedliche Aufträge erteilt worden. Dass schon bei Abschluss des Vertrages für die Baustelle A die Vergabe von Folgeaufträgen eingeplant gewesen wäre, was möglicherweise zur Annahme einer einheitlichen Bauausführung führen könnte[5], ist nicht erkennbar. Damit fehlt es an dem notwendigen "inneren Zusammenhang" zwischen den einzelnen Arbeiten[6]. Dass diese Arbeiten ihrer Art nach gleichartig waren (Verputzarbeiten) und die Aufträge jeweils von demselben Auftraggeber stammten, reicht hierfür nicht aus. Die verschiedenen Bautätigkeiten waren nicht Bestandteile eines einheitlichen Ganzen, sondern voneinander unabhängige Arbeiten der Klägerin an verschiedenen Baustellen. Sie bildeten daher jeweils eigenständige Bauausführungen i.S. des Art. 5 Abs. 2 Buchst. g DBA-Ungarn.

Die Klägerin hatte an den einzelnen Baustellen keine Betriebsstätten i.S. des Art. 5 Abs. 1 DBA-Ungarn. Zwar waren die von ihr eingesetzten Arbeitnehmer in Baucontainern untergebracht, die gegebenenfalls als "Einrichtungen" der Klägerin angesehen werden können. Art. 5 Abs. 1 DBA-Ungarn verlangt jedoch darüber hinaus, dass die betreffende Einrichtung "fest" ist. Daran fehlt es im Streitfall. Schließlich hat das FG zu Recht entschieden, dass eine inländische Betriebsstätte der Klägerin nicht schon nach Art. 5 Abs. 4 DBA-Ungarn als gegeben gilt.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 16.5.2001 – I R 47/00

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