Leitsatz

Für Anteile an Kapitalgesellschaften ist der gemeine Wert vorrangig aus zeitnahen Verkaufsfällen abzuleiten. Dabei ist ein geminderter Kaufpreis heranzuziehen, wenn die Voraussetzungen eines Minderungsrechts objektiv bereits am Bewertungsstichtag vorhanden waren, auch wenn die Minderung erst später vollzogen wird. Ein Abschlag für einen aktivierten Dividendenanspruch scheidet dagegen aus.

 

Sachverhalt

Für GmbH-Anteile musste der gemeine Wert zum 31.12.1994 festgestellt werden. In der Erklärung zur Feststellung des gemeinen Werts nicht notierter Anteile an Kapitalgesellschaften leitete die GmbH den Wert aus einer im Juni 1994 erfolgten Veräußerung ab. Als in 1997 eine Reduzierung des Kaufpreises entsprechend einer Klausel im Veräußerungsvertrag erfolgte, beantragte die GmbH den zuvor festgestellten gemeinen Wert ebenfalls zu reduzieren. Zudem müsse auch noch ein Gewinnausschüttungsanspruch analog § 103 Abs. 2 BewG mindernd berücksichtigt werden. Beides wurde vom Finanzamt abgelehnt.

Das sieht der BFH anders und hob die ebenfalls ablehnende Entscheidung des FG auf. Denn bei der Ableitung des gemeinen Werts aus stichtagsnahen Verkäufen nach § 11 Abs. 2 Satz 2 (1. Alt.) BewG kann ggf. auch eine erst nach dem Bewertungsstichtag vollzogene Kaufpreisminderung berücksichtigt werden. Dies ist der Fall, wenn der Erwerber bereits am Bewertungsstichtag Erkenntnisse über Umstände hat, die eine Kaufpreisreduzierung rechtfertigen können.

Dagegen lehnt der BFH eine Kürzung des gemeinen Werts um den in der Bilanz zum 31.12.1994 aktivierten Gewinnausschüttungsanspruch ab. Die von der GmbH dazu herangezogene Regelung des § 103 Abs. 2 BewG ist nicht einschlägig. Denn diese betrifft nur die Ermittlung des Betriebsvermögens einer beherrschten Gesellschaft und vermeidet insoweit eine Doppelbelastung. Dieses Problem stellt sich aber bei der Ableitung des gemeinen Werts der GmbH-Anteile aus einem Kaufpreis nicht, da ein Käufer gerade auch eine Gewinnausschüttung in die Bewertung mit einbezieht.

 

Hinweis

Problematisch für die Praxis ist, dass der Erwerber die Feststellungslast trägt. Es sollte deshalb Beweisvorsorge getroffen werden, damit das objektive Vorhandensein eines Minderungsrechts am Bewertungsstichtag belegt werden kann. Nur dann kann der höhere aus dem ursprünglichen Verkauf abgeleitete gemeine Wert erfolgreich abgewehrt werden.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil v. 22.1.2009, II R 43/07.

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