Leitsatz (amtlich)

Zur Berufsausbildung eines Studenten der Germanistik und Anglistik (Studienziel: Magisterexamen) gehört auch ein Auslandspraktikum als Fremdsprachenassistent an einer Schule in Großbritannien während eines Urlaubssemesters, da es sich um eine Maßnahme zum Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind.

 

Sachverhalt

Der 1973 geborene Sohn (S) des Klägers studierte in Berlin deutsche Literatur, germanistische Linguistik und Anglistik. Angestrebter Studienabschluss war das Magisterexamen. Bis September 1996 hatte er im Inland einen Bruttolohn von 1 305 DM bezogen. Vom 1.10.1996 bis 31.5.1997 war S - zugleich vom Studium beurlaubt - als Fremdsprachenassistent an einer Schule in Großbritannien tätig. Die britische Behörde zahlte für diese Tätigkeit einen monatlichen Unterhaltszuschuss von rd. 1 300 DM. Neben der Tätigkeit als Fremdsprachenassistent absolvierte S bis Ende 1996 auch einen Sprachkurs an der University of Cambridge, den er mit einer Prüfung abschloss. Im WS 1997/1998 setzte S sein Studium in Berlin fort. Nach seiner Rückkehr ins Inland bezog S 1997 noch einen zusätzlichen Bruttolohn von insgesamt 3 997 DM. Das beklagte Arbeitsamt hob die Festsetzung des Kindesgeldes für die Monate April 1996 bis einschließlich Mai 1997 auf und forderte 2 900 DM Kindergeld zurück. Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg[1]. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 27. Lebensjahr vollendet hat, wird beim Kindergeld berücksichtigt[2], wenn es für einen Beruf ausgebildet wird und die Einkünfte und Bezüge des Kindes nicht den Grenzbetrag des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG überschreiten. Unter Berufsausbildung ist die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen danach alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Ausbildungsmaßnahme in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben ist oder - mangels solcher Regelungen - jedenfalls dem Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten dienen muss, die für den angestrebten Beruf zwingend notwendig sind.

Auch bei der Tätigkeit des S als Fremdsprachenassistent in Großbritannien handelt es sich danach um eine Maßnahme der Berufsausbildung. S hatte während dieser Zeit sein Berufsziel noch nicht erreicht, bereitete sich aber ernsthaft darauf vor. Die Tätigkeit eines Anglistikstudenten als Fremdsprachenassistent an einer High-School in Großbritannien stellt eine berufsbezogene Maßnahme zum Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dar, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet und für diesen förderlich sind. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass S für das WS 1996/1997 und das SS 1997 beurlaubt war. Der dem entgegenstehenden Rechtsprechung des BSG hat sich der BFH jedenfalls für die Fälle nicht angeschlossen, in denen die Zeit der Beurlaubung für eine zusätzliche Maßnahme der Berufsausbildung genutzt wird[3].

In Anbetracht von Einnahmen von 5 205 DM (1996) bzw. 10 497 DM (1997) haben die Einkünfte und Bezüge des S den kindergeldschädlichen Grenzbetrag von 12 000 DM[4] weder im Jahr 1996 noch im Jahr 1997 überschritten. Der jeweilige Grenzbetrag war auch nicht zu ermäßigen[5]; denn die Anspruchsvoraussetzungen lagen in beiden Streitjahren ganzjährig vor. Das der Klage stattgebende Urteil ist zwar ausschließlich auf den Kindergeldtatbestand des § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG gestützt, obwohl in den Monaten Juni bis September 1997 nach Beendigung der Zeit als Fremdsprachenassistent keine Berufsausbildung stattfand. Während dieser Zeit bis zum Beginn des WS 1997/1998 befand sich S jedoch in einer Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten von nicht mehr als vier Monaten, so dass sich der Kindergeldanspruch insoweit aus § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ergab.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 14.1.2000 - VI R 11/99

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