Leitsätze (amtlich)

  1. Aufwendungen für die Neuanschaffung von Mobiliar können als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen sein, wenn von den ausgetauschten Möbeln aufgrund einer Formaldehydemission nachweisbar eine konkrete Gesundheitsgefährdung ausgeht.
  2. Die konkrete Gesundheitsgefährdung gilt als nachgewiesen, wenn die Formaldehydemission ausweislich eines vor der Anschaffung erstellten amtlichen technischen Gutachtens zu einer Formaldehydkonzentration in der Innenluft von über 0,1 ppm geführt hat. Wird dieser Grenzwert unterschritten, können die Kosten für die Neuanschaffung steuerlich nur dann abziehbar sein, wenn die Schadstoffbelastung tatsächlich gesundheitliche Beeinträchtigungen verursacht hat. Der Kausalzusammenhang zwischen gesundheitlicher Beeinträchtigung und Formaldehydemission ist in diesem Fall zusätzlich durch ein vor der Anschaffung erstelltes amtsärztliches Zeugnis zu belegen.
 

Sachverhalt

Die Kläger, zusammen veranlagte Eheleute, machten in ihrer ESt-Erklärung für 1995 Aufwendungen von 26 843 DM für die Anschaffung von Schlafzimmermöbeln geltend. Die bisherige - mindestens zehn Jahre alte - Schlafzimmereinrichtung sei wegen der chronischen, auf formaldehydverseuchte Möbel zurückzuführenden Nasennebenhöhlenerkrankung der Klägerin ausgetauscht worden. Das Finanzamt lehnte den Abzug dieser Aufwendungen ab, weil es sich um Kosten der privaten Lebensführung handele. Während des Einspruchsverfahrens reichten die Kläger ein Attest einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 28.12.1995 ein, nach dem die Klägerin an einer chronisch rezidivierenden Nasennebenhöhlenentzündung aufgrund einer nachgewiesenen Formaldehydbelastung in der Wohnung leide und sich in ständiger Behandlung der Universitätsklinik X befinde. Auf den Rat der Ärztin, die Wohnung zu sanieren, hätten sie eine neue, von jeglichen Schadstoffen freie Schlafzimmereinrichtung angeschafft. Die Maßnahme sei erforderlich gewesen, um die Gesundheit der Klägerin zu erhalten. Während des Klageverfahrens legten sie eine ärztliche Bescheinigung der Universitätsklinik X vom 28.4.1997 vor. Danach sei im Schlafzimmer der Kläger durch das Labor Y eine Formaldehydkonzentration von 0,11 ppm nachgewiesen worden. Die durchgeführte Schlafzimmersanierung erscheine daher sinnvoll. Das FG gab der Klage statt[1]. Auf die Revision hob der BFH die Vorentscheidung auf und verwies die Sache an das FG zurück.

 

Entscheidungsgründe

Aufwendungen zur Beseitigung einer konkreten, von einem Gegenstand des existenznotwendigen Bedarfs ausgehenden Gesundheitsgefährdung können aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig sein[2]. Bei einer Formaldehydausgasung durch schadstoffbelastetes Mobiliar ist eine konkrete Gesundheitsgefährdung nur hinreichend dargetan, wenn durch ein amtliches Gutachten nachgewiesen ist, dass die Ausgasung zu einer Formaldehydkonzentration in der Innenraumluft von über 0,1 ppm geführt hat. Nach Abschn. 3 des Anhangs zu § 1 ChemVer-botsV dürfen beschichtete und unbeschichtete Holzwerkstoffe nicht in den Verkehr gebracht werden, wenn die durch den Holzwerkstoff verursachte Ausgleichskonzentration des Formaldehyds in der Luft eines Prüfraums 0,1 ppm überschreitet. Der Gesetzgeber sieht danach eine Formaldehydausgasung, die zu einer Formaldehydkonzentration in der Raumluft von mehr als 0,1 ppm führt, typisierend als gesundheitsgefährdend an. Der Senat schließt sich dieser gesetzlichen Wertung auch im Rahmen der steuerrechtlichen Prüfung der Zwangsläufigkeit an und beurteilt den Austausch von Möbeln, die eine über dem Wert von 0,1 ppm liegende Formaldehydbelastung von Innenräumen verursachen, als aus tatsächlichen Gründen zwangsläufig.

Der Steuerpflichtige muss eine konkrete Gesundheitsgefahr infolge des Überschreitens des Grenzwerts durch ein vor dem Austausch der Möbel von einer amtlichen technischen Stelle erstelltes Gutachten nachweisen. Darin sind die Quellen der Abgabe bzw. Abspaltung von Formaldehyd genau zu beschreiben. Aus dem Gutachten muss sich ferner ergeben, dass die Maßnahme notwendig war, um eine Formaldehydemission zu beseitigen, die zu einer Formaldehydkonzentration in Innenräumen von über 0,1 ppm geführt hat. Außerdem ist zu den notwendigen Maßnahmen zur Beseitigung der Formaldehydemission Stellung zu nehmen. Da Aufwendungen nach § 33 Abs. 2 Satz 1 EStG nur steuermindernd berücksichtigt werden dürfen, soweit sie den Umständen nach notwendig sind, ist insbesondere auch auszuführen, ob die Gesundheitsgefahr durch eine Nachbeschichtung der Spanplatten hätte kostengünstiger beseitigt werden können.

Jedoch ist bei Maßnahmen zur Beseitigung einer Ausgasung, die zu einer den Grenzwert von 0,1 ppm überschreitenden Formaldehydkonzentration in Innenräumen geführt hat, ein zusätzliches amtsärztliches Zeugnis entbehrlich, weil insoweit die Gesundheitsgefährdung hinreichend konkretisiert ist.

Der Senat hat nachträglich erstellte Gutachten und Bescheinigungen als Nachweis nur ausreichen lassen, wenn bei Durchführung der Maßnahme aufgrund der bis dahin bekannt ge...

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