Leitsätze (amtlich)

  1. Ein Steuerbescheid ist nur dann wirksam unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt, wenn die Kennzeichnung des Vorbehalts für den Steuerpflichtigen eindeutig erkennbar ist.
  2. Der kraft Gesetzes für eine Steueranmeldung geltende Vorbehalt der Nachprüfung entfällt, wenn das FA nach Eingang der Steuererklärung erstmals einen Steuerbescheid ohne Nachprüfungsvorbehalt erlässt.
 

Sachverhalt

In ihrer Jahreserklärung 1980 (Streitjahr) erklärte die Klägerin USt von 11 296 DM. Das seinerzeit zuständige Finanzamt A folgte zunächst der Steueranmeldung, führte 1982 aber eine USt-Sonderprüfung durch. Im Tz. 15 des Berichts heißt es unter "Auswertungsvorschlag": "Die Prüfungsfeststellung zu Tz. 12 dieses Berichts wird in einer gemäß § 164 Abs. 2 AO zu berichtigenden USt-Festsetzung für 1980 berücksichtigt. Die Festsetzung erfolgt weiterhin unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Weitergehende Feststellungen bleiben einer evtl. künftigen Außenprüfung vorbehalten." Am 6.10.1982 erließ das Finanzamt A einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten USt-Bescheid 1980. Unter "Bemerkungen" heißt es: "Der o.a. Steuerfestsetzung liegen die Feststellungen der USt-SoPr. (vgl. Bericht vom 2.7.1982) zugrunde." Eine (ausdrückliche) Kennzeichnung als Vorbehaltsfestsetzung enthält der - bestandskräftig gewordene - Bescheid nicht. 1985 fand bei der Klägerin eine ebenfalls das Streitjahr 1980 betreffende Betriebsprüfung statt, die zu einer Erhöhung der Umsatzsteuer führte. Am 8.8.1986 erließ das inzwischen zuständige Finanzamt B darauf einen Änderungsbescheid 1980. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt, weil das Finanzamt B verfahrensrechtlich daran gehindert gewesen sei, den vorangegangenen USt-Bescheid 1980 vom 6.10.1982 zu ändern[1]. Der BFH bestätigte die Vorentscheidung.

 

Entscheidungsgründe

Das FA war nicht nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO zur Änderung befugt.

  1. Im Streitfall stand der - durch den angefochtenen Bescheid geänderte - USt-Bescheid 1980 vom 6.10.1982 nicht unter ausdrücklichem Vorbehalt der Nachprüfung. Es liegt auch keine konkludente Vorbehaltsfestsetzung vor. Soweit in der Begründung des Bescheides angeführt wird, der Steuerfestsetzung lägen die Feststellungen der USt-Sonderprüfung im Bericht vom 2.7.1982 zugrunde, und in diesem Bericht vorgeschlagen wird, die Steuer weiterhin unter Vorbehalt der Nachprüfung festzusetzen, reicht dies zur Annahme einer wirksamen Vorbehaltsfestsetzung nicht aus. Denn ein Steuerbescheid ist nur dann wirksam unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellt, wenn die Kennzeichnung des Vorbehalts für den Steuerpflichtigen eindeutig erkennbar ist. Eine Bezugnahme in einem Steuerbescheid auf sonstige Unterlagen bewirkt keinen Vorbehalt, solange sich hieraus für den Steuerpflichtigen nicht eindeutig eine entsprechende Ermessensentscheidung des zuständigen Veranlagungsbeamten ergibt[2]. So liegt es hier. Auch wenn sich aus Tz. 15 des Berichts über die USt-Sonderprüfung die Absicht des Prüfers ergab, dass seine Feststellungen in einer Vorbehaltsfestsetzung umgesetzt werden sollten, hat diese Absicht in dem bekanntgegebenen Inhalt des Steuerbescheids keinen hinreichend eindeutigen Niederschlag gefunden.
  2. Der Bescheid vom 6.10.1982 stand auch nicht kraft Gesetzes unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die USt-Erklärung der Klägerin für 1980 stand als Steueranmeldung[3] gemäß § 168 Satz 1 AO zwar einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Der dieser Steueranmeldung anhaftende Nachprüfungsvorbehalt entfällt aber, wenn das Finanzamt auf die Steuererklärung hin erstmals einen Steuerbescheid ohne einen derartigen Vorbehalt erlässt[4]. Allerdings bleibt der Vorbehalt der Nachprüfung nach ständiger Rechtsprechung des BFH auch dann bestehen, wenn er im Falle einer Änderung des ursprünglichen Bescheids durch einen weiteren Bescheid nicht - was aus Gründen der Klarstellung zweckmäßig wäre - ausdrücklich wiederholt wird[5]. Dies gilt indes nur für S ach verhalte, in denen das Finanzamt den Vorbehalt der Nachprüfung ausdrücklich in einen Steuerbescheid aufgenommen hatte[6]; dies trifft auf den dem Streitfall zugrunde liegenden Sachverhalt nicht zu. Denn die Gleichsetzung einer Steueranmeldung mit einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung durch § 168 Satz 1 AO soll (lediglich) der Beschleunigung des Steuerfestsetzungsverfahrens dienen und sicherstellen, dass schon mit Eingang der Steuererklärung, die eine Selbstberechnung der Steuer enthalten muss, die entsprechende Steuer entrichtet wird.
 

Link zur Entscheidung

BFH vom 2.12.1999 - V R 19/99

[2] Vgl. BFH-Urteil vom 2.3.1993, IX R 93/89, BFH/ NV 1993, S. 704
[5] Vgl. BFH-Urteil vom 14.9.1993, VIIIR 9/93, BStBl II1995, S. 2 = INF 1995, S. 118
[6] Vgl. BFH-Beschluss vom 29.10. 1987, a.a.O. (Fn. 4)

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