Leitsatz

Ist ein Architekt neben der Planung auch mit der Ausführung der Bauwerke (Bauüberwachung) betraut, kann diese Gesamttätigkeit keinem konkreten Tätigkeitsschwerpunkt zugeordnet werden. In diesem Fall bildet das häusliche Arbeitszimmer nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen bzw. betrieblichen Betätigung i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG.

 

Sachverhalt

Die selbständig tätige Architektin machte in den Streitjahren 1996 und 1997 Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer als Betriebsausgaben geltend, die das Finanzamt im Hinblick auf die erhebliche bauüberwachende Tätigkeit im Außendienst (1996: 88 Tage; 1997: 133 Tage) und damit wegen fehlender Eigenschaft des Arbeitszimmers als Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung nur in Höhe von jeweils 2 400 DM als Betriebsausgaben anerkannte. Das FG gab der Klage der Architektin statt, weil sie im Arbeitszimmer den wesentlichen Teil ihres Honorars verdient habe. Dagegen richtet sich die Revision.

 

Entscheidung

Die Revision hatte Erfolg. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Arbeitszimmer nur dann Mittelpunkt der gesamten beruflichen bzw. betrieblichen Betätigung eines Steuerpflichtigen i.S.v. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG[1], wenn der Steuerpflichtige im Arbeitszimmer diejenigen Handlungen vornimmt und Leistungen erbringt, die für den konkret ausgeübten Beruf wesentlich und prägend sind. Dem zeitlichen (quantitativen) Umfang der Nutzung des häuslichen Arbeitszimmers kommt dabei lediglich eine indizielle Bedeutung zu. Das Fehlen eines anderweitigen Arbeitsplatzes ist dabei – so der BFH – ohne Relevanz[2]. Nach diesen Maßstäben kann es im Gegensatz zur Auffassung des FG nicht darauf ankommen, ob in dem Arbeitszimmer der wesentliche Teil des Honorars verdient wird. Entscheidend ist vielmehr, dass die Arbeit eines Architekten traditionell neben der Planung grundsätzlich auch die Bauüberwachung als eine der werkvertraglichen Hauptverpflichtungen umfasst[3]. Ihre Ausübung schließt mithin die Annahme aus, das der Erstellung von Bauplänen dienende Arbeitszimmer sei der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Architektin.

 

Praxishinweis

Nach Auffassung der Finanzverwaltung[4] schließt bereits eine dauerhafte Außendiensttätigkeit den unbegrenzten Abzug von Werbungskosten nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 3 Halbsatz 2 EStG per se aus; dieser Auffassung hat sich der BFH ausdrücklich nicht angeschlossen. Danach kann ein Arbeitszimmer bei einer nicht prägenden (untergeordneten) Außendiensttätigkeit durchaus Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit sein.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 26.06.2003, IV R 9/03

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