Leitsatz

Dem Großen Senat wird folgende Rechtsfrage zur Entscheidung vorgelegt: Ist das Finanzamt im Rahmen der ertragsteuerlichen Gewinnermittlung in Bezug auf zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ungeklärte bilanzrechtliche Rechtsfragen an die Auffassung gebunden, die der vom Steuerpflichtigen aufgestellten Bilanz zu Grunde liegt, wenn diese Rechtsauffassung aus der Sicht eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns vertretbar war?

 

Sachverhalt

Ein Mobilfunkunternehmen in der Rechtsform einer GmbH bot 1996 ihren Kunden den verbilligten Erwerb eines Mobiltelefons für den Fall an, dass diese einen Mobilfunkdienstleistungsvertrag (MFD-Vertrag) mit einer Laufzeit von 24 Monaten abschlossen oder einen bestehenden Vertrag entsprechend verlängerten. Das Finanzamt war der Auffassung, zwischen den MFD-Verträgen und den Kaufverträgen über die Mobiltelefone bestehe eine wirtschaftlich enge Verknüpfung i.S.v. Vertragsbündelungen. Die durch die verbilligte Abgabe entstandene Betriebsvermögensminderung sei daher nach § 5 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 EStG im Rahmen eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens (RAP) periodengerecht über die Laufzeit des MFD-Vertrags abzugrenzen.

Der BFH teilt diese Auffassung, wonach die Voraussetzungen für die Bildung eines aktiven RAP gegeben waren. Eine andere Frage ist, ob eine Bilanzberichtigung in Betracht kommt (§ 4 Abs. 2 Satz 1 EStG). Für die Fälle, in denen die Rechtslage zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ungeklärt ist, weil noch keine Rechtsprechung zu der in Rede stehenden Bilanzierungsfrage ergangen ist, hat der BFH bislang entschieden, dass dann jede der kaufmännischen Sorgfalt entsprechende Bilanzierung als "richtig" anzusehen ist. An den in diesem Sinne zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung subjektiv "richtigen" Bilanzansatz ist das Finanzamt gebunden, auch wenn die Rechtsfrage nach diesem Zeitpunkt durch eine höchstrichterliche Entscheidung im gegenteiligen Sinne entschieden worden ist.

Danach wäre die Bilanz bei Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs aus der Sicht des Mobilfunkunternehmens nicht als fehlerhaft anzusehen, sodass sie das Finanzamt der Besteuerung zugrunde legen müsste. Der I. Senat tritt dafür ein, den subjektiven Fehlerbegriff abweichend von der bisherigen Rechtsprechung nicht auf die Beurteilung bilanzrechtlicher Rechtsfragen zu erstrecken. Er hat daher den Großen Senat zur Klärung der Rechtsfrage angerufen.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Beschluss v. 7.4.2010, I R 77/08.

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