Leitsatz

Ein Wohnungseigentümer kann eine Verletzung eigener Rechte im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO durch ein Bauvorhaben in Bezug auf den Nachbarschutz des gemeinschaftlichen Eigentums geltend machen, sofern ein solches Vorgehen nicht vergemeinschaftet worden ist.

 

Normenkette

WEG § 10 Abs. 6 Satz 3

 

Das Problem

Wohnungseigentümerin K verlangt von B ein bauaufsichtliches Einschreiten gegen ein grenzständiges Gebäude (ein Abstellraum) auf dem Nachbargrundstück. K meint, der Abstellraum sei unter Verletzung der Abstandsflächenvorschriften neu errichtet worden.

 

Die Entscheidung

Die Klage ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichts (VG) zulässig und begründet.

Zulässigkeit

K sei in Bezug auf das von ihr begehrte bauaufsichtliche Einschreiten i.S.d. § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt.

  1. Eine Verletzung der K in eigenen Rechten scheide zwar aus, soweit sie eine Störung ihres Sondereigentums geltend mache. Eine konkrete Beeinträchtigung ihres Sondereigentums stehe nicht im Raum. Dies sei aufgrund der Lage der Wohnung außerhalb der Abstandsflächen sowie angesichts des Umstands, dass die zum Grundstück des Nachbarn gelegene Außenwand dieser Wohnung keine Fenster aufweise, nicht ersichtlich.
  2. Die Klagebefugnis ergebe sich jedoch aus K's ideellem Anteil am gemeinschaftlichen Eigentum. Bei der Geltendmachung von Nachbarrechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienten, handele es sich um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums, die gemäß § 21 Abs. 1 WEG grundsätzlich den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zustehe (Hinweis auf VGH München, Beschluss v. 12.9.2005, 1 ZB 05.42, Rn. 13 – juris). Vor diesem Hintergrund vertrete der überwiegende Teil der obergerichtlichen Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Verstoß gegen Rechte, die im gemeinschaftlichen Eigentum für das gesamte Grundstück wurzeln, nach § 10 Abs. 6 WEG nur von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer geltend gemacht werden könne (Hinweis u.a. auf VGH München, Beschluss v. 1.3.2018, 1 CS 17.2539, Rn. 3 – juris). Es sei indes nicht geboten, einen Abwehranspruch gegen rechtswidrige Bauvorhaben in der Nachbarschaft im Interesse einer geordneten Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums einheitlich geltend zu machen. Zwar könne es unter den Wohnungseigentümern über die Art und den Umfang des Vorgehens gegen ein rechtswidriges Bauvorhaben erhebliche Meinungsunterschiede geben. Etwaigen Differenzen könne jedoch dadurch begegnet werden, dass die Wohnungseigentümer die Rechtsverfolgung vergemeinschaften (Hinweis auf BGH, Urteil v. 13.10.2017, V ZR 45/17, Rn. 9). Auch das Argument, dass der Dritte der Gefahr einer Vielzahl von Einzelklagen der Wohnungseigentümer wegen der Verletzung subjektiv-öffentlicher Baunachbarrechte ausgesetzt wäre, ohne dass eine Rechtskrafterstreckung einträte, ändere nichts. Mit der Aufhebung einer angegriffenen Baugenehmigung oder der Stattgabe einer Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen ein Bauvorhaben sei der aus dem gemeinschaftlichen Eigentum folgende (öffentlich-rechtliche) Anspruch grundsätzlich erfüllt. Eine mehrfache Inanspruchnahme des Dritten sei nicht denkbar.

Begründetheit

Die Klage sei auch begründet. Die Errichtung eines Abstellraums verstoße gegen nachbarschützende Abstandsflächenvorschriften, weil das Gebäude nicht den Mindestabstand zur Grundstücksgrenze einhalte und auch nicht ohne Abstandsfläche gegenüber der Grundstücksgrenze zugelassen werden könne. Einem bauaufsichtlichen Einschreiten stünden auch keine Gesichtspunkte des Bestandsschutzes entgegen. Das Bauwerk sei zu keinem Zeitpunkt genehmigt gewesen und auch nicht materiell legal. Ob früher vergleichbare bauliche Anlagen vorhanden gewesen seien, sei unerheblich, da diese mit ihrer Beseitigung ihren Bestandsschutz verloren hätten.

 

Kommentar

Anmerkung

Der BGH meint, ein einzelner Wohnungseigentümer könne gegen den Nachbarn wegen des gemeinschaftlichen Eigentums privatrechtliche Abwehransprüche geltend machen. Vor diesem Hintergrund ist es konsequent, dass auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung mehr und mehr umschwenkt und es einem Wohnungseigentümer jetzt erlaubt, sich bei seiner Klagebefugnis auch auf eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums zu berufen (siehe bereits Abramenko, MietRB 2017, S. 353).

Was ist für den Verwalter wichtig?

Eine Beeinträchtigung des Sondereigentums wird von den Verwaltungsgerichten vor allem angenommen, wenn – wie im Fall – Abstandsvorschriften verletzt werden oder das bauplanungsrechtliche Rücksichtnahmegebot unmittelbar das Sondereigentum betrifft. Steht eine Verletzung des sog. allgemeinen Gebietserhaltungsanspruchs im Raum, soll das Sondereigentum hingegen allenfalls im gleichen Maß wie das aller anderen Sondereigentümer und die gesamte Wohnungseigentumsanlage betroffen sein.

 

Link zur Entscheidung

VG Koblenz, Urteil v. 5.2.2019, 1 K 870/18.KO

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