Zusammenfassung

Nachfolgend sind die AV-Wohnen Berlin, gültig ab 1.7.2015, sowie weitere Richtlinien zur Regelung der Kosten der Unterkunft (KdU) mit Kommentierungen des Autors wiedergegeben. Grundsätzlich kann die AV-Wohnen Berlin im gesamten Bundesgebiet als Orientierungshilfe dienen. Die Kommentierungen und Anmerkungen gelten ebenfalls für das gesamte Bundesgebiet, soweit die örtlichen Richtlinien Regelungen wie die in der AV-Wohnen Berlin enthalten.

 

Wichtig

Die Leserinnen und Leser mögen sich vor Augen halten, dass es sich immer um Richtlinien, nicht um einseitig von der Verwaltung festgelegte unangreifbare Verordnungen mit Gesetzescharakter handelt.

Sinn und Zweck der Richtlinien ist es, der Verwaltung gewisse einheitliche Verfahrensweisen vorzugeben. Werden im konkreten Einzelfall die festgelegten Werte überschritten, unterliegt die entsprechende Verfahrensweise voll der richterlichen Überprüfung. Es gelten einzig und allein die gesetzlichen Vorgaben in SGB II und SGB XII. Die einzelnen Richtlinien zur Regelung der zu übernehmenden KdU sind lediglich Orientierungshilfen.

Bei den im Gesetz verwendeten Begriffen wie „Angemessenheit“, „Personen mit besonderem Bedarf“ etc. handelt es sich um sogenannte unbestimmte Rechtsbegriffe. Das heißt allein das Sozialgericht kann im Streitfall bestimmen, ob im konkreten Einzelfall trotz Überschreiten der Richtwerte die Unterkunftskosten (noch) angemessen bzw. in welcher Höhe sie angemessen sind. Entsprechendes gilt bezüglich der Feststellung, ob eine bestimmte Person einen „besonderen Bedarf“ hat.

In den Richtlinien können deshalb nur beispielhafte Einzelfälle und der verwaltungsmäßige Umgang mit diesen geregelt werden. Die Richtlinien können jedoch nicht das Gesetz konkretisieren oder auslegen in dem Sinne, dass die Behörden Kosten oder Verfahrensweisen einseitig unangreifbar festlegen.

1 AV-Wohnen Berlin

Seit 1.7.2015 gilt in Berlin die neue AV-Wohnen, die die bisherige AV-Wohnen sowie die alte Wohnaufwendungenverordnung (WAV) ablöst und deren Inhalte zusammenführt.

 

Vorbemerkung/Kommentar des Autors

Die Neufassung der AV-Wohnen Berlin wurde notwendig, da das Bundessozialgericht (Urteile vom 4.6.2014, B 14 AS 53/13 R und vom 17.10.2013, B 14 AS 70/12 R) die bisherige AV-Wohnen für rechtswidrig erklärt hat. Nach wie vor gilt Folgendes:

BSG, Urteil vom 4.6.2014, B 14 AS 53/13 R

Leitsätze

Zitat

Eine Satzung mit einer Gesamtangemessenheitsgrenze der Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung nach dem SGB 2 erfordert die realitätsgerechte Abbildung des einfachen Standards auf dem örtlichen Wohnungsmarkt sowohl für die Unterkunftsaufwendungen als auch für die Heizaufwendungen.

BSG, Urteil vom 17.10.2013, B 14 AS 70/12 R

Zitat

Die Bestimmung der Angemessenheit der Aufwendungen für Unterkunft und Heizung durch Satzung erfordert die zeit- und realitätsgerechte Erfassung der sozialen Wirklichkeit in gleicher Weise, wie es der Verwaltung bei der Bestimmung des abstrakt angemessenen, Unterkunftsbedarfs vorgegeben ist.

Weiterhin ist zu beachten, dass nunmehr – wie im Buch ausgeführt und § 22b SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende) und § 35a SGB XII (Sozialhilfe) es vorgeben –, die Überprüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten in zwei Schritten zu erfolgen hat:

  1. Festlegung eines abstrakten Bedarfs gemäß den o. g. Urteilen
  2. Wird der abstrakte Bedarf überschritten, Prüfung, ob aufgrund individueller Verhältnisse nicht höhere, als die abstrakt festgelegten Kosten für Unterkunft und Heizung übernommen werden müssen.

Achtung: Die AV-Wohnen Berlin, die im Prinzip einigermaßen gut gelungen ist und Vorbildcharakter für das gesamte Bundesgebiet haben kann, bemüht sich, Verwaltungsanweisungen festzulegen, die der geltenden Gesetzeslage und Rechtsprechung folgen (Stand April 2016). Sie weist jedoch weiterhin Mängel auf und entspricht teilweise wohl nicht den oben genannten Urteilen des Bundessozialgerichts bzw. muss differenziert betrachtet werden (Näheres jeweils in den Anmerkungen unten zu einzelnen Nummern). Nach wie vor ist dieses Regelwerk davon geprägt, durch Verwaltungsanweisungen teilweise zweifelhafte Kostenminimierungen zum Nachteil des Mieters und Vermieters erreichen zu wollen. In einigen Bestimmungen wird geschickt dem Mieter aufgebürdet, gegen den Vermieter vorzugehen, um die Kosten zu senken. Dies ist laut Rechtsprechung des Bundessozialgerichts unzulässig.

Damit der Leistungsträger nicht den Leistungsempfänger „missbrauchen“ kann, um (auch rechtlich umstrittene) Zahlungen an den Vermieter zu verweigern, ist nochmals eindringlich darauf hinzuweisen, dass der Vermieter ausdrücklich von der Möglichkeit Gebrauch machen sollte, dass der Leistungsempfänger/Mieter die Ansprüche an den Leistungsträger (Jobcenter/Sozialhilfeträger) an ihn abtritt. Dabei ist es unbedingt erforderlich, dass der Mieter das Jobcenter dem Vermieter gegenüber vom Sozialgeheimnis entbindet.

Liegt eine Abtretungserklärung vor, kann das Jobcenter sich nicht auf die Regelungen in Nr. 3.3.2 letzter Absatz berufen und die Zahlung an den Vermieter verw...

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