Leitsatz (amtlich)

Der gemeine Wert ist auch dann AfA-Bemessungsgrundlage für ein nach Betriebsaufgabe vermietetes ehemaliges Betriebsgebäude, wenn der Aufgabegewinn wegen des Freibetrags nach § 16 Abs. 4 EStG nicht besteuert worden ist.

 

Sachverhalt

Die Kläger (Eheleute) sind Eigentümer eines Grundstücks, auf dem der Kläger ursprünglich eine Bäckerei betrieb und das sie außerdem z.T. privat nutzten. Der Kläger gab 1993 den Betrieb auf und vermietete das Grundstück. Der bei der Betriebsaufgabe ermittelte Aufgabegewinn wurde wegen des Freibetrages nach § 16 Abs. 4 EStG nicht besteuert. Bei der Ermittlung ihrer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr 1994 berechneten die Kläger die Abschreibung für den ehemals betrieblichen Gebäudeteil nach dem bei der Betriebsaufgabe zugrunde gelegten gemeinen Wert. Das Finanzamt setzte dagegen als Bemessungsgrundlage nur den Buchwert an, weil der Aufgabegewinn nicht der Besteuerung unterlegen habe. Das FG gab der Klage statt[1]. Die Revision blieb erfolglos.

 

Entscheidungsgründe

Wird ein Gebäude aus dem Betriebs- in das Privatvermögen überführt und vermietet, so ist § 7 Abs. 4 EStG nicht unmittelbar anwendbar, weil tatsächlich keine Anschaffung stattfindet. Stattdessen sind - analog § 7 Abs. 4 EStG - fiktive Anschaffungskosten in der Höhe anzusetzen, in der bei der Ermittlung des Entnahmegewinns oder des Aufgabegewinns kraft Gesetzes die stillen Reserven für das betriebliche Gebäude aufgelöst werden. Aufgrund gesetzlicher Fiktion ist der Steuerpflichtige mithin so zu besteuern, als hätte er das in das Privatvermögen überführte Betriebsgebäude im Fall der Betriebsaufgabe zum gemeinen Wert[2] an sich selbst veräußert.

Von diesen Grundsätzen hat die Rechtsprechung jedoch Ausnahmen gemacht. Bei Überführung eines Betriebsgrundstücks in das Privatvermögen sind als künftige Ab-schreibungsbemessungsgrundlage weiterhin die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zugrunde zu legen, wenn die stillen Reserven nicht steuerlich erfasst worden sind, etwa wenn eine Betriebsaufgabe zunächst nicht als solche erkannt worden ist und die Veranlagung aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht mehr geändert werden kann[3] oder wenn für das Jahr der Betriebsaufgabe Verjährung eingetreten ist[4]. In derartigen Fällen können anlässlich der Betriebsaufgabe die Vorschriften über die Auflösung der stillen Reserven[5] nicht (mehr) angewendet werden. Wenn aber die gesetzliche Fiktion eines Veräußerungsgeschäfts[6] im Einzelfall nicht tatsächlich umgesetzt werden kann, entfällt die Rechtfertigung für den Ansatz fiktiver Anschaffungskosten als künftige Abschreibungsbemes-sungsgrundlage.

Ferner hat der Senat als Abschreibungsbe-messungsgrundlage nicht den Teilwert im Zeitpunkt der Entnahme, sondern die ursprünglichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten herangezogen, wenn der Steuerpflichtige eine eigengenutzte, zum land- und forstwirtschaftlichen Betriebsvermögen gehörende Wohnung gemäß § 52 Abs. 15 Sätze 6 und 7 EStG i.d.F. des WohneigFG[7] erfolgsneutral aus dem Betriebsvermögen entnommen und anschließend vermietet hatte[8].

Wird bei einer Betriebsaufgabe unter Auflösung der stillen Reserven ein Aufgabegewinn ermittelt, bleibt dieser aber aufgrund der Freibetragsregelung des § 16 Abs. 4 EStG im Ergebnis steuerfrei, so ist für ein ehemaliges Betriebsgebäude, das nunmehr vermietet wird, als Abschrei-bungsbemessungsgrundlage der gemeine Wert im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe anzusetzen. Mit diesem Wert ist das Gebäude bei der Betriebsaufgabe steuerlich erfasst, d.h. bei der Ermittlung des Aufgabegewinns gemäß § 16 Abs. 3 EStG berücksichtigt worden. Dass im Ergebnis keine Steuer angefallen ist, weil der Aufgabegewinn den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG nicht überstiegen hat, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Entscheidend ist, dass die Vorschriften über die Betriebsaufgabe[9] im konkreten Fall angewandt und die stillen Reserven aufgelöst worden sind. Da die gesetzliche Veräußerungsfiktion des § 16 Abs. 3 Satz 1 EStG eingreift, sind auch fiktive Anschaffungskosten in Höhe des gemeinen Werts anzusetzen.

 

Link zur Entscheidung

BFH vom 14.12.1999 - IX R 62/96

Anmerkung

Das Finanzamt hatte den Ansatz des Buchwertes als Abschreibungsbemes-sungsgrundlage damit begründet, dass die Bemessung der Abschreibung nach dem gemeinen Wert im Zeitpunkt der Betriebsaufgabe dem Steuerpflichtigen einen doppelten Vorteil verschaffe[10]. Dem sind FG und BFH mit Recht entgegen getreten. Schon Thiel[11] hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die These vom doppelten Vorteil offensichtlich fehl geht. Vergleicht man - so Thiel - die Lage des Steuerpflichtigen, der von der Befreiungsvorschrift begünstigt wird, mit der Normalbesteuerung, so ist nur ein einfacher Vorteil festzustellen. Dieser besteht in der Steuerbefreiung des Aufgabegewinns. Der Ansatz des Buchwerts statt des gemeinen Werts als Bemessungsgrundlage der Abschreibung läuft im Ergebnis darauf hinaus, dass die sachliche Steuerbefreiung niedrigerer B...

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