Leitsatz

Ändert das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid in der Weise, dass ein bisher als Betriebsveräußerungsgewinn behandelter Gewinn aus Gewerbebetrieb nunmehr als laufender Gewinn beurteilt wird, so darf der Gewerbesteuermessbescheid nach § 35b GewStG geändert werden.

 

Sachverhalt

Der Steuerpflichtige gab seinen Gewerbebetrieb im Streitjahr 1996 auf. Das Finanzamt ging – im Wesentlichen seinen Angaben folgend – in den erstmaligen Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheiden 1996 von einem laufenden Gewinn von ca. 293000 DM und einem – nicht der Gewerbesteuer unterliegenden – Betriebsaufgabegewinn von ca. 816000 DM aus. Nach einer Außenprüfung verminderte das Finanzamt im Einkommensteueränderungsbescheid 1996 den begünstigten Betriebsaufgabegewinn um ca. 805000 DM und ordnete diesen Betrag dem laufenden Gewinn zu. Den Gewerbesteuermessbescheid änderte es gemäß § 35b GewStG entsprechend. Das FG gab der dagegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamts hatte Erfolg.

 

Entscheidung

Entgegen der Ansicht des FG konnte der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid nach § 35b GewStG geändert werden. Diese Norm enthält eine selbstständige Rechtsgrundlage zur Aufhebung oder Änderung von Gewerbesteuermessbescheiden. Zum einen bezweckt sie die Vermeidung einer unerwünschten Verdoppelung von Rechtsbehelfsverfahren, in denen der Steuerpflichtige sowohl gegen den Einkommensteuer(änderungs)bescheid als auch gegen den Gewerbesteuermessbescheid ein und dieselben materiell-rechtlichen Einwendungen erhebt. Zum anderen soll auf diese Weise dem Finanzamt die Möglichkeit eingeräumt werden, den Gewerbesteuermessbescheid den bei der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer vorgenommenen Korrekturen anzupassen.

Nach Sinn und Zweck des § 35b GewStG ist die Vorschrift nicht einschränkend auszulegen. Sie erfasst auch Fälle, in denen sich der Steuerpflichtige gegen den Ansatz von gewerblichen Einkünften im Einkommensteuerbescheid "dem Grunde nach" wehrt[1]. Die Gründe, aus denen die Umqualifizierung gewerblicher in andere Einkünfte den Gewinn aus Gewerbebetrieb i.S. des § 35b GewStG berührt, greifen auch in Fällen ein, in denen in einem Einkommensteueränderungsbescheid ein laufender Gewinn in einen begünstigten Betriebsveräußerungs- oder -aufgabegewinn umqualifiziert wird. Entsprechendes gilt im vorliegenden umgekehrten Fall einer Umgruppierung eines Betriebsveräußerungs- oder -aufgabegewinns in einen laufenden Gewinn.

 

Praxishinweis

Den im Besprechungsurteil beschrittenen Weg hat die Rechtsprechung[2] vorgezeichnet. Der BFH hat bereits entschieden, dass der Gewerbesteuermessbescheid nach § 35b GewStG auch dann aufzuheben oder zu ändern ist, wenn die vorausgegangene Aufhebung oder Änderung des Einkommensteuerbescheids darauf beruht, dass die Tätigkeit des Steuerpflichtigen nicht mehr wie bisher als gewerbliche qualifiziert, sondern einer anderen Einkunftsart zugeordnet wird. Auf der Grundlage dieser Entscheidung bedurfte es nur noch eines weiteren kleinen Schritts, § 35b GewStG auch auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt anzuwenden, in dem die einkommensteuerrechtliche Umqualifizierung der Einkünfte innerhalb derselben Einkunftsart zwischen laufendem Gewinn und Betriebsveräußerungs- bzw. -aufgabegewinn erfolgte.

Während der im BFH-Urteil vom 26.6.2004[3] entschiedene Sachverhalt die Änderung nach § 35b GewStG zugunsten des Steuerpflichtigen betraf, geht es hier um eine Änderung nach § 35b GewStG zu Ungunsten des Steuerpflichtigen. Es liegt indessen auf der Hand, dass der sachliche Anwendungsbereich des § 35b GewStG nicht unterschiedlich weit bestimmt werden darf, je nachdem, ob dies zu einer Änderung zu Gunsten oder zu Lasten des Steuerpflichtigen führt. Damit im Einklang stehend hat der BFH[4]§ 35b GewStG trotz dessen damals noch engeren Wortlauts bereits in einem Fall angewendet, in dem ein zunächst als laufender Gewinn behandelter Gewinn aus Gewerbebetrieb in einen Betriebsveräußerungsgewinn umqualifiziert wurde.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 16.12.2004, X R 14/03

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