Leitsatz

Die selbständige Beratungstätigkeit eines Diplom-Wirtschafts-ingenieurs auf zumindest einem Hauptgebiet der Betriebswirtschaftslehre ist der des beratenden Betriebswirts i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG zumindest ähnlich. Ein Autodidakt verfügt über entsprechend ausreichende Kenntnisse, wenn es eine Hochschule, Fachhochschule oder Berufsakademie gibt, mit deren Prüfungsanforderungen sich sein technisches und betriebswirtschaftliches Wissen vergleichen lässt.

 

Sachverhalt

Ein selbständiger Unternehmensberater absolvierte nach Lehre, Tätigkeit als Betriebsschlosser und Ausbildung zum staatlich geprüften Techniker eine REFA-Grundausbildung, erwarb verschiedene REFA-Fachzeugnisse und nahm an Seminaren sowie Lehrgängen auf dem Gebiet der Zeitbewirtschaftung teil. In den Streitjahren beriet er Behörden und Unternehmen in den Bereichen Ablauforganisation, Fertigungsorganisation und Kostenrechnung, Kalkulationssystematik zur Vorgabezeitermittlung, Ratiopotenziale und Amortisationsberechnung. Während der Unternehmensberater Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit erklärte, nahm das Finanzamt Einkünfte aus Gewerbebetrieb an. Die hiergegen gerichteten Einsprüche blieben erfolglos. Das FG gab der Klage statt.

 

Entscheidung

Die Feststellungen des FG tragen nach Auffassung des BFH die Entscheidung nicht, dass die Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts ähnlich ist. Diesen Beruf übt nur derjenige aus, der nach einem entsprechenden Studium, verbunden mit praktischer Erfahrung, mit den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaft – nicht dagegen nur mit einzelnen Spezialgebieten – vertraut ist und diese fachliche Breite seines Wissens auch bei seinen praktischen Tätigkeiten einsetzen kann und tatsächlich einsetzt. Zu den Hauptbereichen der Betriebswirtschaftslehre gehören Unternehmensführung, Leistungserstellung, Materialwirtschaft, Finanzierung, Vertrieb, Verwaltungs-, Rechnungs- und Personalwesen[1]. Entsprechend diesem Berufsbild eines beratenden Betriebswirts liegt ein "ähnlicher Beruf" nur vor, wenn er auf einer durch Selbststudium erworbenen vergleichbar breiten fachlichen Vorbildung beruht und sich die Beratungstätigkeit auf einen vergleichbar breiten betrieblichen Bereich erstreckt. Die an die fachliche Breite der Beratungstätigkeit gestellten Anforderungen sind auch dann erfüllt, wenn die Beratung wenigstens einen Hauptbereich der Betriebswirtschaftslehre – hier: Leistungserstellung – umfasst[2].

Dass neben der erforderlichen Breite der Beratungsleistungen die Kenntnisse des Unternehmensberaters eine ausreichende Breite und Tiefe aufweisen, hat das FG nach Auffassung des BFH nicht durch hinreichende tatsächliche Feststellungen belegt. Danach kann zwar ein Diplom-Wirtschaftsingenieur beratender Betriebswirt sein, wenn nicht alle Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre Gegenstand der Abschlussprüfung waren. Diese Ausnahme von den an die Kenntnisse eines beratenden Betriebswirts gestellten Anforderungen hält der BFH für gerechtfertigt, weil einerseits bei den Unternehmen ein Bedarf für Beratung durch Fachleute mit betriebswirtschaftlicher und zugleich technischer Ausbildung besteht und weil andererseits auch der Beruf des Ingenieurs im Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG enthalten ist. Für eine solche Ausnahme reichen allerdings nicht allein die technischen Kenntnisse eines staatlich geprüften Technikers aus, um die mangelnde Breite der betriebswirtschaftlichen Ausbildung zu kompensieren. Vielmehr muss er ebenso wie ein ähnlich tätiger Unternehmensberater geringere Kenntnisse auf dem Gebiet der Betriebswirtschaftslehre durch umfangreichere technische Kenntnisse ausgleichen.

 

Praxishinweis

Im Streitfall hat der BFH erstmals einen "ähnlichen Beruf" angenommen, obwohl der Beruf nicht einem bestimmten Katalogberuf vergleichbar ist, sondern nur Ähnlichkeit mit einer (Teil-) Gruppe der Katalogberufe aufweist, und dies bislang für eine Ähnlichkeit nicht ausreichte[3]. Die Begründung, der Beruf des beratenden Wirtschaftsingenieurs verbinde zwei bestimmte Katalogberufe, den des beratenden Betriebswirts und den des Ingenieurs, wird auf alle Berufe anzuwenden sein, die mehrere Berufe i.S.d. § 18 EStG miteinander kombinieren.

 

Link zur Entscheidung

BFH-Urteil vom 28.8.2003, IV R 21/02

[3] Vgl. ebenda, unter 1.b)

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